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Front gegen die Alternative

Der Bundestag hat in dieser Woche zwei ganz unterschiedliche Regierungserklärungen erlebt. Die erste am Dienstag von einem angriffslustigen Bundesfinanzminister, der die Haushalts- und Finanzpolitik der Koalition, das heißt vor allem seine Politik der "schwarzen Null", mit Seitenhieben nach rechts und links als alternativlos verteidigte. Die zweite Rede, und zwar eine sehr nachdenkliche, hielt die Kanzlerin gestern in der Generaldebatte.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Politik.
CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Angela Merkel und Kabinett
CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Angela Merkel und Kabinett
Foto: Tobias Koch / CC BY-SA 3.0 de via Wikipedia

Der Bundestag hat in dieser Woche zwei ganz unterschiedliche Regierungserklärungen erlebt. Die erste am Dienstag von einem angriffslustigen Bundesfinanzminister, der die Haushalts- und Finanzpolitik der Koalition, das heißt vor allem seine Politik der "schwarzen Null", mit Seitenhieben nach rechts und links als alternativlos verteidigte. Die zweite Rede, und zwar eine sehr nachdenkliche, hielt die Kanzlerin gestern in der Generaldebatte.

Nach einem Jahr voller Bewährungsproben, voller Attacken von Parteifreunden und -feinden, voller Zweifel und Niederlagen, wie zuletzt im Nordosten, ruft Merkel zur Geschlossenheit der Bundestagsparteien gegen die Rechtspopulisten auf. Das war keine Verzweiflungstat einer Kanzlerin, die in den Abgrund geblickt hat, sondern ein Plädoyer für Fairness, Wahrhaftigkeit und, ja auch für Demut gegenüber den Bürgern und Bürgerinnen. Ob Merkels Appell in den kommenden Wahlkämpfen allerdings beherzigt werden wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Gerade die bayerische Schwesterpartei setzt nach einer kurzen Atempause vor und nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ihr rhetorisches Trommelfeuer gegen die CDU-Vorsitzende unvermindert fort. Horst Seehofer findet die Lage "bedrohlich", vor allem weil die Macht der Christsozialen in Gefahr gerät. Und Innenminister Joachim Herrmann wärmt alte Forderungen nach einer Obergrenze von 200 000 für den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland auf. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, lange fest an Merkels Seite, findet Gefallen an Obergrenzen.

Lediglich die moderate CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lässt sich nicht zur griffigen Formulierung hinreißen. Sie weiß, wie auch Merkel, dass mit der schlichten Festsetzung einer Obergrenze, das Flüchtlingsproblem nicht aus der Welt zu schaffen ist. Nicht einmal für Deutschland. Merkels Lösungsansatz, der die Partner in der EU, die Verbündeten und die Krisenländer selbst in den Blick nimmt und einbezieht, ist dagegen viel weiter. Allerdings auch schwieriger, risikoreicher und langwieriger. Die CSU-Spitzen tun dagegen so, als habe sich in Merkels Flüchtlingspolitik seit dem Sommer 2015 nichts geändert. So als habe es die Asylpakete I und II, das fordernde Integrationsgesetz, das Abkommen mit der Türkei oder die Festlegung sicherer Drittstaaten, in die rasch abgeschoben werden kann, nicht gegeben. Leider leiten Seehofer und Co. mit ihrer Fundamentalkritik an Merkel Wasser auf die Mühlen der Schein-Alternative für Deutschland. Die Petry, Gauland, Meuthen und Co. von der AfD wollen überhaupt keine Flüchtlinge nach Deutschland lassen. In der Konsequenz hieße das auch: Lasst sie doch im Mittelmeer ersaufen.

Selber schuld, wenn sie sich auf den Weg machen. Und die, die trotzdem hier sind, sollen nicht integriert, sondern auf ihre Rückführung vorbereitet werden. Die AfD ist, von vielen anderen zweifelhaften Vorschlägen ihres Programms einmal abgesehen, inhuman und verantwortungslos. Sie verfolgt im Kern eine Politik der nationalen Abschottung, wie sie für das vorige Jahrhundert typisch war, aber auch damals bereits nichts half. Lange hat Merkel die politische Konkurrenz von ganz rechts nicht wahrgenommen, sie mit Verachtung, mit Nichterwähnung gestraft. Das kann sie nach dem Debakel von Schwerin nun nicht mehr. Vielleicht kommt ihr Appell gerade noch rechtzeitig, damit die etablierten Parteien sich wirklich der Sorgen und Nöte der Bürger zuwenden und nicht über deren Köpfe hinweg regieren. Den Rechtspopulisten hinterher zu hecheln, bringt dagegen nichts.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung