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Italien: Dilettanten an die Macht!

Italien war schon in der Vergangenheit mehrfach ein politisches Laboratorium. Benito Mussolini machte den Faschismus zur Staatsdoktrin und wurde bald von Adolf Hitler kopiert, mit bekanntem Ausgang. Der Medienunternehmer Silvio Berlusconi führte in Europa den Populismus ein, der unter anderen machtpolitischen Umständen heute von US-Präsident Donald Trump weitergeführt wird.

Geschrieben von Julius Müller-Meiningen am . Veröffentlicht in Welt.
Foto: faumor / CC0 via Pixabay

Italien war schon in der Vergangenheit mehrfach ein politisches Laboratorium. Benito Mussolini machte den Faschismus zur Staatsdoktrin und wurde bald von Adolf Hitler kopiert, mit bekanntem Ausgang. Der Medienunternehmer Silvio Berlusconi führte in Europa den Populismus ein, der unter anderen machtpolitischen Umständen heute von US-Präsident Donald Trump weitergeführt wird.

Es ist gut möglich, dass von Italien aus bald ein weiterer bahnbrechender politischer Laborversuch seinen Anfang nimmt. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag erreichte die populistische und systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Einzigartigkeit auf der politischen Weltbühne darstellt, rund 32 Prozent der Stimmen und wurde damit zum klaren Wahlsieger.

Die herkömmlichen Parteien wurden von den Wählern abgestraft. Gewünscht ist offenbar eine neue, umstürzende und auf dem Papier basisdemokratisch geführte Kraft, deren bislang sehr vage politische Konturen sich demnächst schärfen müssen. Wer genau diese Fünf Sterne sind, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn es um den Versuch geht, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Alleine kommen die Schützlinge des Komikers Beppe Grillo nicht auf die notwendigen Mandate.

Die Italienwahl hat als eines der ersten Ergebnisse ein Misstrauensvotum gegenüber der EU in ihrer heutigen Form dekretiert. Die "Grillini" wollen die europäischen Spielregeln verändern, das hat auch der zweite Wahlsieger, die rechtspopulistische Lega angekündigt. Die Lega, die früher den Zusatz "Nord" trug und ihre Stammwähler in Norditalien hat, erreichte italienweit etwa 18 Prozent der Stimmen. Damit übernimmt die Partei von Matteo Salvini die Führung im rechten Parteienspektrum. Nimmt man die Stimmen der beiden Protestparteien zusammen, dann verlangen mindestens 50 Prozent der italienischen Wähler eine Kurskorrektur in Brüssel. Dieses Votum der drittgrößten Volkswirtschaft der EU ist ein weiterer Schub für die baldige Veränderung der EU-Parameter.

Für Italien steht in den kommenden Wochen die Frage im Vordergrund, ob die Bildung einer von den Fünf Sternen und ihrem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio geführten Regierung gelingt. Es wäre einen Versuch wert. Erstens gibt es nach diesem Wahlergebnis keine Alternativen. Das Mitte-Rechts-Lager hat keine Mehrheit, Mitte-Links erst recht nicht. Die Verantwortungslosigkeit vieler italienischer Politiker in den vergangenen Jahrzehnten hat das Unbehagen gegen die politische Klasse sukzessive vergrößert. Das Wahlergebnis ist die Folge dieser Enttäuschung. Es wäre aus verschiedenen Aspekten heraus wünschenswert, dass dieser oft blinde Protest sich nun in Verantwortung umwandeln kann.

Die Grillini sind keine "gefährliche Sekte", als die sie Ex-Premier Silvio Berlusconi bezeichnete. Man kann sie hingegen als Mischung aus Piratenpartei und Grünen charakterisieren, der ursprünglich vor allem Umweltschutz und Digitalisierung am Herzen lagen. Diese Phase ist allerdings überholt. Die Fünf Sterne stehen heute für eine neue, ungewohnte Form der politischen Willensbildung mit basisdemokratischen Ansätzen und vielen Unzulänglichkeiten. Ihre Anliegen reichen vom Sozialen über Transparenz im Politikbetrieb bis hin zur Eindämmung der Immigration.

Dass die Vernunft auch bei Polit-Anfängern einkehren kann, zeigt die Tatsache, dass von dem früher anvisierten Referendum über den Euro-Austritt Italiens keine Rede mehr ist. Gleichwohl kämen mit der Fünf-Sterne-Bewegung Dilettanten an die Macht. Fünf Jahre Erfahrung im Parlament, die die bisherigen Grillo-Parlamentarier vorweisen können, bringen nicht zwangsläufig weitsichtige Staatsmänner hervor. Dazu ist festzuhalten, dass auch die jüngere italienische Geschichte nicht immer von vertrauenswürdigen Persönlichkeiten geprägt wurde. Das beste Beispiel dafür ist Silvio Berlusconi, der seit 1994 mehrere Möglichkeiten verwirkte, Italien zu reformieren.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung