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Türkei: Finanzierung der Warenimporte gefährdet

Die Lage der türkischen Wirtschaft war jahrelang solide. Nun verunsichert die politische Instabilität Touristen und Kapitalgeber. Das stellt die langfristigen Entwicklungsperspektiven des Landes in Frage. Denn sowohl die Einnahmen aus dem Tourismus als auch ausländisches Kapital sind nötig, um das riesige Defizit im Warenhandel zu finanzieren.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Istanbul
Istanbul
Foto: falco / CC0 via Pixabay

Die Lage der türkischen Wirtschaft war jahrelang solide. Nun verunsichert die politische Instabilität Touristen und Kapitalgeber. Das stellt die langfristigen Entwicklungsperspektiven des Landes in Frage. Denn sowohl die Einnahmen aus dem Tourismus als auch ausländisches Kapital sind nötig, um das riesige Defizit im Warenhandel zu finanzieren.

Um fast 5 Prozent pro Jahr ist die türkische Wirtschaft seit dem Machtwechsel im Jahr 2002 gewachsen. Die Staatsverschuldung hat sich halbiert, die Inflationsrate liegt schon seit mehreren Jahren im einstelligen Bereich – ein beachtlicher Fortschritt verglichen mit Teuerungsraten von über 50 Prozent in den Jahren davor. Zahlreiche Infrastrukturprojekte und eine junge, konsumfreudige Bevölkerung machen das Land zu einem attraktiven Standort für internationale Unternehmen.

Doch die relativ stabilen Wirtschaftsverhältnisse reichen alleine nicht aus: Die zunehmende politische Unsicherheit hat bereits sichtbare Spuren hinterlassen. Um fast 35 Prozent lag die Touristenzahl schon im Mai – also noch vor dem Putschversuch – unter dem Vorjahreswert. Eine wichtige Einnahmequelle ist somit in Gefahr. Denn etwa ein Achtel der türkischen Wirtschaftsleistung entfällt auf die Branche. Und nur dank der Einnahmen aus dem Tourismus kann die Türkei einen Teil ihres enormen Defizits aus dem Warenhandel mit anderen Ländern decken. Im Jahr 2015 lag das Defizit in der Warenhandelsbilanz bei fast 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Etwa die Hälfte davon wird durch die Einnahmenüberschüsse beim Tourismus finanziert.

Doch diese Gegenbuchung ist akut gefährdet: Bereits in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016 sind die von ausländischen Touristen kommenden Einnahmen um mehr als ein Fünftel gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum eingebrochen. Dass internationale Kapitalgeber einspringen, um die hohen Defizite anstelle der Touristen zu finanzieren, ist aber wenig wahrscheinlich. Ganz im Gegenteil – die politische Unsicherheit ist Gift für das Investitionsklima und es kommt zu Kapitalflucht: Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum sind die Nettozuflüsse an Direktinvestitionen bis Mai 2016 um mehr als die Hälfte gesunken; allein in der Woche nach dem Putschversuch ist der türkische Aktienmarktindex um 15 Prozent eingebrochen.

Die wirtschaftlichen Perspektiven im Land haben sich erheblich eingetrübt. Denn das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der türkischen Wirtschaft ist erschüttert – und eine Besserung ist momentan nicht in Sicht. Demokratie, Sicherheit, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind für die langfristige Stabilität unerlässlich.



Quelle: IW Köln