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Kulturgüterforschung

Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen

Die Geschichte des deutschen Kolonialismus soll das Hauptthema des Berliner Humboldt-Forums in den nächsten Jahren sein.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Bildung.
Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen und über seine Nachwirkungen nachdenken, weil diese Geschichte auch mit uns heute zu tun hat.
Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen und über seine Nachwirkungen nachdenken, weil diese Geschichte auch mit uns heute zu tun hat.
Foto: Charl van Rooy

Die Geschichte des deutschen Kolonialismus soll das Hauptthema des Berliner Humboldt-Forums in den nächsten Jahren sein.

Das hat Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gesagt. "Dabei geht es nicht nur um die Objekte. Es muss auch eine breite Dekolonisierung unseres Denkens stattfinden. Das ist keine Aufgabe von Museen allein. Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen und über seine Nachwirkungen nachdenken, weil diese Geschichte auch mit uns heute zu tun hat", sagte Parzinger und rückte zugleich die Institution Museum in das Zentrum dieser Aufgabe: "Da haben gerade Museen wie das Humboldt-Forum, dessen Fassade ja schon Bezug nimmt auf die deutsche Geschichte, eine wichtige Verantwortung gegenüber der Gesellschaft."

Parzinger verteidigte in diesem Zusammenhang auch die historische Fassade des Berliner Humboldt-Forums. "Die Schlossfassade hat insofern eine positive Wirkung, weil sie uns zurückbindet an unsere Geschichte, der wir nicht entgehen. Gerade in diesem Gebäude zusammen mit den Ländern des globalen Südens einen neuen Weg in die Zukunft zu gestalten ist ein interessantes Wagnis. In einem futuristischen Bau könnte man dieser Geschichte eher entkommen. Die historisierenden Fassaden des Humboldt-Forums haben dagegen eine Art Katalysator-Wirkung", sprach der Stiftungspräsident gerade der historischen Fassadengestalt eine besondere Signalwirkung zu.

Zugleich kündigte Hermann Parzinger an, noch in diesem Jahr das Eigentum an den weltberühmten Benin-Bronzen in den Berliner Sammlungen zurückübertragen zu wollen und damit dem Beispiel des Hamburger Museums am Rothenbaum zu folgen. "Auch wir wollen in diesem Jahr die Rückübertragung des Eigentums an diesen Stücken vornehmen. Die Ausstellung im Humboldt-Forum wird gerade überarbeitet. Der Prozess der Rückgabe soll dabei Teil des Narrativs sein. Trotzdem wollen wir auch einige Originale zeigen, weil sie Weltkunst sind. Wir entwickeln diese Ausstellung dabei gemeinsam mit Kollegen aus Nigeria", kündigte Parzinger an.

Der klare Kurs der Rückgabe gilt nach seinen Worten auch für die menschlichen Überreste, die sich in der Sammlung der Berliner Charité finden. Die Frage nach dem Eigentum stelle sich bei diesen Objekten nicht. "Ganz wichtig: Bei menschlichen Überresten forschen wir nicht, um festzustellen, ob die Objekte legal erworben worden sind. Bei diesen Objekten ist der Kontext von vornherein nicht legal, weil Friedhöfe widerrechtlich geöffnet wurden. Das ist Grabstörung. Wir müssen aber herausfinden, wo genau sie herstammen, um die Überreste an die richtigen Empfänger zurückgeben zu können", machte Parzinger die Position der Stiftung klar.

In der Frage des Auslegerbootes von der Südseeinsel Luf weicht Parzinger hingegen von jenen Forschern ab, die wie der Historiker Götz Aly den Erwerb des Schiffes als unrechtmäßig kritisiert haben. "Was den Erwerb des Bootes angeht, haben unsere Fachleute etwas andere Ansichten als Götz Aly. Es ist 20 Jahre nach der Strafexpedition auf der Insel Luf erworben worden. Es gibt etliche Hinweise, die nicht so eindeutig von einem unrechtmäßigen Erwerb sprechen lassen. Die Nachfahren der einstigen Bootsbauer übrigens haben uns wissen lassen, dass sie nach Berlin kommen möchten, um das Boot zu sehen. Es geht ihnen darum, die Bauweise studieren zu können, um ein solches Boot heute wieder bauen zu können, weil dieses Wissen auf der Insel verloren gegangen ist. Sie wollen dieses Boot nachbauen, aber nicht für ein Museum, sondern um es zu benutzen", führte Parzinger aus.

Zugleich machte er klar, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in den nächsten Jahren als Akteur globaler Kulturpolitik neues Profil gewinnen soll. "Wir verstehen uns als globaler Player in der Kulturgüterforschung. Rückgaben von Kulturgütern und eine neue Qualität des Dialogs gehören dazu, ein neues Miteinander mit dem globalen Süden zu entwickeln. Das ist ein wichtiges Zukunftsthema. Nach innen gerichtet, geht es darum, die Herausforderungen unserer Gesellschaft anzunehmen. Es geht um Integration, Inklusion und Diversität", sagte Hermann Parzinger abschließend.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung