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Schließungen von Krankenhäusern: Weniger ist nicht besser

Allein die Zahlen reichen aus, um die Gemüter zu erregen: Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung empfiehlt die Schließung von mehr als der Hälfte der Krankenhäuser. Von 1400 Kliniken sollen noch 600 übrig bleiben, wenn überhaupt. Die medizinische Qualität sei sonst zu schlecht und der Betrieb vieler Häuser zu teuer, lautet die Begründung.

Geschrieben von Philipp Neumann am . Veröffentlicht in Gesundheit.
Foto: Alice12 / CC0 (via Pixabay)

Allein die Zahlen reichen aus, um die Gemüter zu erregen: Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung empfiehlt die Schließung von mehr als der Hälfte der Krankenhäuser. Von 1400 Kliniken sollen noch 600 übrig bleiben, wenn überhaupt. Die medizinische Qualität sei sonst zu schlecht und der Betrieb vieler Häuser zu teuer, lautet die Begründung.

Die Reaktionen auf diesen Vorschlag sind erwartbar heftig. Die Vertreter der Krankenhäuser sprechen von der "Zerstörung sozialer Infrastruktur". Doch die Empörung schießt übers Ziel hinaus. Dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser mit zu vielen Betten gibt, ist keine ganz neue Erkenntnis. Seit Jahren kommen Studien zu diesem Ergebnis. Auch dass die medizinische Qualität besser wird, je öfter und damit routinierter Eingriffe und Behandlungen vorgenommen werden, ist bekannt. Das Stichwort dazu lautet: Spezialisierung. Neu ist jetzt vor allem die Dimension, in der die Experten der Bertelsmann-Stiftung den Abbau überzähliger Kapazitäten und eine Veränderung der Versorgungsstrukturen fordern.

Womöglich entspringt diese Radikalität dem Wunsch nach möglichst großer Aufmerksamkeit für die Studie. Ein Blick auf Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigt: Schon jetzt gibt es immer weniger Krankenhäuser. Es gibt immer weniger Betten, aber auch eine immer geringere Auslastung dieser Betten. Das liegt daran, dass die Patienten immer kürzer in der Klinik bleiben. Und das, obwohl die Krankenhäuser immer mehr Behandlungsfälle haben. Mit anderen Worten: Die Krankenhauslandschaft verändert sich bereits. Immer mehr Patienten werden ambulant versorgt. Es geht vielleicht zu langsam, aber es herrscht auch kein Stillstand. Ein Punkt, den die Experten machen, ist zweifelsohne richtig: Würde man die zu geringe Zahl an gut ausgebildeten Pflegern und Ärzten auf weniger Kliniken verteilen, könnten die Patienten tatsächlich besser versorgt werden. Einzelne Schichten könnten besser besetzt werden. Auch die technische Ausstattung der Kliniken könnte besser sein, weil das Geld auf weniger Häuser verteilt würde.

Zu beweisen wäre aber, dass diese positiven Effekte einer Zentralisierung nicht dazu führen, dass trotzdem Personal abgebaut wird, um die Rendite hochzuhalten. Unterm Strich würde sich dann nämlich kaum etwas ändern. Dass Strukturveränderungen bei den Krankenhäusern notwendig und aus Patientensicht auch sinnvoll sind, das können die Autoren der Studie überzeugend zeigen. In Ballungszentren mögen ihre Rechenmodelle ohne Probleme in die Praxis umsetzbar sein. Was der Studie jedoch fehlt, sind Perspektiven für ländliche Regionen. Mehr Ideen, als dass dort "alternative Strukturen" aufgebaut werden müssen, liefert die Studie nicht. Wer auf dem Land ein Krankenhaus schließt, muss der Bevölkerung überzeugende Alternativen anbieten. Dabei geht es um mehr als die Frage, wie viele Menschen bei einem Herzinfarkt binnen 30 Minuten medizinisch versorgt werden können - und wie man diese 30 Minuten berechnet. Es geht um Funklöcher, den öffentlichen Nahverkehr und nicht zuletzt um den Bäcker an der Ecke. Der Eindruck, zurückgelassen zu werden, darf nicht entstehen.

Die Bundesregierung hat gerade erst angekündigt, überall im Land für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Für Investitionen in die Krankenhäuser sind die Bundesländer zuständig. Die Frage aber, ob ein schlechtes Krankenhaus auf dem Land besser ist als gar kein Krankenhaus - diese Frage wollen die Verantwortlichen keiner staatlichen Ebene wirklich beantworten. Die Autoren der Studie übrigens auch nicht.



Quelle: ots/Berliner Morgenpost