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Der Vormarsch der AfD stürzt die Linke als Protestpartei in die Krise

Der Magdeburger Linken-Kongress wurde zwar durch einen Tortenangriff auf die Ikone Sahra Wagenknecht zum schlagzeilenträchtigen Ereignis. Doch eine politische Klärung, wohin die Partei in der Nach-Gysi-Ära will, blieb sie ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl schuldig.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Meinung.
Bild: Die Linke / CC BY-SA 2.0 via Flickr

Der Magdeburger Linken-Kongress wurde zwar durch einen Tortenangriff auf die Ikone Sahra Wagenknecht zum schlagzeilenträchtigen Ereignis. Doch eine politische Klärung, wohin die Partei in der Nach-Gysi-Ära will, blieb sie ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl schuldig.

Die notwendige Auseinandersetzung, ob es weiterhin Fundamental-Opposition oder das ernsthafte Angebot zum Mitregieren gibt, wurde einfach nicht geführt. Links bleibt damit weiterhin unklar. Irgendwie antikapitalistisch, aber auch mit flüchtlingskritischen Einsprengseln à la Wagenknecht/Lafontaine.

Auf dem Parteitag wurde augenfällig, wie sehr der Vormarsch der rechtspopulistischen AfD die Linke in die Krise gestürzt hat. Lange war die aus der DDR-Staatspartei SED hervorgegangene ehemalige PDS, die sich 2007 mit ihrem westdeutschen Pendant WASG vereint hatte, die erste Adresse für Protest gegen die Regierung, gegen die etablierten Parteien, gegen "das System" überhaupt. Nicht nur, aber vor allem im Osten Deutschlands, wo sie Wahlerfolge feierte und in Thüringen sogar den ersten Ministerpräsidenten stellt. Doch der smarte, pragmatische Bodo Ramelow dürfte für lange Zeit der einzige Linke als Landesvater bleiben. Der Traum der Linken, auch in Sachsen-Anhalt den Ministerpräsidenten stellen zu können, ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Hier holte die rechtspopulistische Alternative für Deutschland fast jede vierte Stimme und nahm der Linken die Funktion der Protestpartei fast im Handumdrehen ab.

Auch in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern, wo Ende August beziehungsweise Anfang September neue Landesparlamente gewählt werden, sieht es für die Linke nicht gut aus. Sie liegt weit hinter der AfD. Und von einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis nach der nächsten Bundestagswahl spricht ohnehin kaum noch jemand. Man würde sich nur lächerlich machen. Derzeit ist nach Umfragen eine Mehrheit links von der Union sehr unrealistisch. Aber auch inhaltlich, personell und kulturell passt da kaum etwas zusammen. Während sich alle möglichen - und vor Jahren noch als völlig undenkbar betrachteten - anderen Konstellationen herausbilden, scheint ein links-grünes Bündnis, eine Illusion zu bleiben. Dabei regieren inzwischen Schwarz-Rot-Grün, Rot-Grün-Gelb oder Grün-Schwarz.

Auch im Bund könnte es 2017 zu einem Dreierbündnis kommen, wenn die SPD weiterhin so schwach bleibt und wenn sich Grüne oder die wiederauferstandenen Liberalen als koalitionsfähig und -willig erweisen sollten. Ein Rezept, wie der AfD beizukommen ist, hat die Linke, wie übrigens auch alle anderen Bundestagsparteien, dagegen nicht. Einige, wie Wagenknecht, wollen deren Populismus offenbar mit Populismus bekämpfen. Da offenbar viele Wähler der Linken ebenfalls Vorbehalte gegen zu viele Flüchtlinge, gegen offene Grenzen und gegen den Islam haben, schlägt die Linken-Ikone schon mal kräftig fremdenfeindliche Töne an.

Ihr Ehemann und Ex-SPD- sowie Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine sieht es wohl ebenso. Populismus, und sei es gegen "Fremdarbeiter", ist dem Saarländer nicht fremd. Dass Gregor Gysi als Fast-Politrentner kurz vor dem Parteikongress von Magdeburg seiner Partei Saft- und Kraftlosigkeit vorwarf, ist ein Zeichen von Misstrauen und Unmut gegenüber seinen Nachfolgern in Fraktion und Partei. Die Klärung zwischen Fundamentaloppositionellen und Realpolitikern, Wagenknecht und Dietmar Bartsch stehen exemplarisch für beide Flügel der Linken - und es gibt in Wirklichkeit noch viel mehr -, ist nicht vorangekommen. Dabei hat auch der große Linken-Zampano versagt, der es immer allen recht machen wollte. Zum Parteitag ist Gysi schon gar nicht mehr erschienen.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung