Europa braucht einen Schub gegen Verdrossenheit
Wenig Osterzauber strahlt auf dieses Wochenende. Zu benommen sind wir nach den schrecklichen Ereignissen in Brüssel. Zu skeptisch, was die Perspektiven für unsere zwar liebgewonnene, aber nicht wirklich wertgeschätzte Welt der Freiheit und des Wohlstands angeht.
Wenig Osterzauber strahlt auf dieses Wochenende. Zu benommen sind wir nach den schrecklichen Ereignissen in Brüssel. Zu skeptisch, was die Perspektiven für unsere zwar liebgewonnene, aber nicht wirklich wertgeschätzte Welt der Freiheit und des Wohlstands angeht.
Wir haben erneut begreifen müssen, dass Europa, ein Geschenk der Nachkriegszeit von grandioser historischer Dimension, zum Spielball sturer nationaler Egomanen verkommen ist. Die Entsolidarisierung in der Flüchtlingsfrage war das erste Beispiel nationalstaatlicher Rücksichtslosigkeit. Von den Werten des christlichen Abendlands reden wir Christen am besten nicht mehr. Was aus diesem hehren Anspruch geworden ist, spiegelt sich im Schlamm von Idomeni wider. Ob der Umgang mit Flüchtlingen, die vor dem IS-Terror fliehen, oder mit den Terroranschlägen: Europa besitzt keine politische Handlungsfähigkeit. Es hat seine Kraft verloren, es orientiert sich nicht mehr am Gelingen, sondern am Trennenden.
Europa wäre in seinem neu entflammten Nationalstaatsdenken am liebsten eine Festung mit "Schutzwall". Welche Absurdität im Jahr 2016! Wir sind nicht mehr stolz auf die Demokratie, auf die Freiheit, auf die Werte, auch nicht mehr auf das Christentum, das wir allzu schnell verleugnen und der Beliebigkeit preisgeben. Wir definieren lieber, wer nicht dazugehören darf. Wir erleben in immer hemmungsloserer Art, wo Europa bereits gescheitert ist, wenn die anti-europäische polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo sich als Reaktion auf Brüssel weigert, 400 Flüchtlinge aufzunehmen, gleichwohl jedoch unverdrossen EU-Milliarden einkassiert. Das hat mit europäischer Ehre nichts mehr zu tun. Aber zu viele halten den diplomatisch und politisch korrekten Mund. Die gestaltende Elite hat viel Vertrauen verloren.
Dazu haben nicht nur die Politiker und die Institutionen, sondern auch die Medien und die Kirchen beigetragen. Die Medien mit manchen Übertreibungen und gieriger Alarmierung, mit unzulänglichen Analysen, die Kirchen mit dem Beharren auf alltagsfernen Positionen und dem Ausblenden der Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert, auch mit mancher abweisenden Kälte, die mit der Barmherzigkeit des Evangeliums nicht vereinbar ist. Den Menschen Vertrauen zurückgeben, das ist leicht gesagt, und dennoch ist jeder dafür verantwortlich; denn Europa lebt aus der Gesellschaft heraus. Es lebt von seinen Bürgerinnen und Bürgern, nicht von den Parteien, Parlamenten, Institutionen, Verbänden, Lobbyisten. Was haben Generationen vor uns erreicht! Wir sollten uns schämen, das mit egoistischen Befindlichkeiten und dem Kleinmut materiell abgesicherter Bequemlichkeit aufs Spiel zu setzen. Wer Europas Vielfalt, seine Chancen, seine Zukunft, seinen Wert für die Würde der Menschen in armen Regionen dieser Erde verspielt, wird ein böses Erwachen erleben. Und wer das europäische Projekt ablehnt, soll sagen, wie er morgen und übermorgen leben will.
Europa braucht einen Schub. Ein kleines Wunder vielleicht. Eine Art Auferstehung.