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Gewählt! Und jetzt?

Warum ist die SPD in Rheinland-Pfalz immer noch stärkste Partei? Doch nur wegen ihrer Spitzenkandidatin Malu Dreyer und der schwachen CDU-Gegenkandidatin Julia Klöckner. Warum sind die Grünen stärkste Partei in Baden-Württemberg geworden? Doch gewiss nur wegen Winfried Kretschmann und wegen des schwachen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf. Und warum ist die AfD überall so stark? Wegen der schwachen "Volksparteien" CDU und SPD und nicht wegen eigener Stärke.

Geschrieben von Bernd Mathieu am . Veröffentlicht in Meinung.
Foto: 422737 / pixabay (CC 0)

Warum ist die SPD in Rheinland-Pfalz immer noch stärkste Partei? Doch nur wegen ihrer Spitzenkandidatin Malu Dreyer und der schwachen CDU-Gegenkandidatin Julia Klöckner. Warum sind die Grünen stärkste Partei in Baden-Württemberg geworden? Doch gewiss nur wegen Winfried Kretschmann und wegen des schwachen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf. Und warum ist die AfD überall so stark? Wegen der schwachen "Volksparteien" CDU und SPD und nicht wegen eigener Stärke.

Das Dilemma von CDU und SPD kann also nicht nur an der Flüchtlingspolitik Angela Merkels liegen; denn Dreyer und Kretschmann stehen genau da an der Seite der Kanzlerin und haben dennoch ein gutes Ergebnis erzielt. Weil sie Persönlichkeiten sind.

Weil sie Klartext reden. Weil sie sich nicht in den üblichen Worthülsen verlieren. Ja: Die Flüchtlingspolitik und die Wackelkurse innerhalb von Union und SPD haben den Rechtspopulisten entscheidenden Rückenwind für derart deutliche zweistellige Erfolge verliehen. Die Grundlage dafür war jedoch schon vorher vorhanden. Die AfD lebt nicht nur von der Flüchtlingsfrage. Aber das Thema hat ihr aktuell genutzt.

Die AfD bedient die Angst vor Flüchtlingen, vor dem Islam, vor Kriminalität. Die enttäuschten Verlierer Sie kann nur so stark sein, weil die "Volksparteien" ihr einen beachtlichen Teil an Wählerpotenzial überlassen. Die entfesselte globalisierte Boom-Society des neuen Reichtums, der neuen Rücksichtslosigkeit, der neuen Willkür hat alte Strukturen brutal zerstört und über Jahrzehnte gewachsene gesellschaftliche Strukturen ausgehebelt. Das treibt rechten Parteien in Frankreich, Italien, Österreich, den Niederlanden, Griechenland, Italien oder Skandinavien seit Jahren - auch ohne Flüchtlingswelle - unzufriedene Menschen in die populistischen Arme. Diese Leute fühlen sich als Verlierer. Derart Enttäuschte sind anfällig für einfache Lösungen nach dem AfD-Motto "Wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen". Union und SPD ist es nicht gelungen, die Desillusionierten anzusprechen, geschweige denn zu überzeugen. Sie haben diese Gruppe gröblich vernachlässigt. Nicht alle AfD-Wählerinnen und -wähler sind tumbe Dummköpfe und grobe Schreihälse (leider gibt es auch von denen viele!). Sensibilität in der Flüchtlingsfrage und ordentliche Logistik in der Registrierung der Ankommenden müssen keine Gegensätze sein. Argumente für ein weltoffenes Europa statt für eine idiotische Festung muss man überzeugend präsentieren, aber nicht auf der Basis eines dubiosen Deals mit Erdogans Türkei. Zum Beispiel. Gewiss auch nicht mit der unverdrossenen Fortsetzung der Chaostage bei CDU und CSU - im wahrsten Sinne ohne Rücksicht auf Verluste! Und jetzt? Sie machen weiter wie bisher - in den Diskussionsrunden gestern unmittelbar nach der Wahl. Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl erklärte da allen Ernstes: "Wir wollen den Ministerpräsidenten stellen." Er fordert, statt demütig mit dem unsäglichen CDU-Desaster umzugehen. Er sagt es beim schlechtesten CDU-Ergebnis in Baden-Württemberg aller Zeiten. Er sollte als Demokrat den Erfolg von Winfried Kretschmann anerkennen und dafür sorgen, dass eine ordentliche und stabile grün-schwarze Koalition zustande kommt.

Parteitaktische Spielchen sollten nach einem solchen Wahlabend keine Chance mehr haben. Ähnlich sieht es in Rheinland-Pfalz aus, wo Malu Dreyer einen dritten Partner braucht, um weiter regieren zu können. Das kann nur die FDP sein. Alternativen? Keine. Also rauft Euch zusammen! Redet ordentlich miteinander. Ändert Euch! Endlich.



Quelle: ots/Aachener Zeitung