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Wer Fleisch isst, trägt Verantwortung

Genug geschimpft über Arbeitszustände in Fleischfabriken, Tierquälerei in Schweineställen und Super-Sparpreise fürs Rindergulasch: Wer jetzt nichts ändert, hat keine Ausreden mehr. Der Corona-Ausbruch in deutschen Großschlachtungen hat erneut offengelegt, wie krank die Fleischindustrie hierzulande ist.

Geschrieben von Benjamin Weigl am . Veröffentlicht in Meinung.
Fleisch muss wieder etwas Besonderes werden, wertgeschätzt werden.
Fleisch muss wieder etwas Besonderes werden, wertgeschätzt werden.
Foto: Piqsels CC0

Genug geschimpft über Arbeitszustände in Fleischfabriken, Tierquälerei in Schweineställen und Super-Sparpreise fürs Rindergulasch: Wer jetzt nichts ändert, hat keine Ausreden mehr. Der Corona-Ausbruch in deutschen Großschlachtungen hat erneut offengelegt, wie krank die Fleischindustrie hierzulande ist.

Dass ein Drittel des deutschen Schweinefleischs in ferne Länder, am häufigsten nach China, exportiert wird, zeigt schon, wie billig in unserer Wohlstandsnation produziert wird. Doch wie immer muss jemand dafür büßen. Beim System Billigfleisch büßen fast alle: Die Schweine, die in den Großschlachtereien mit Kohlenstoffdioxid vergast werden, bis sie, panisch um Luft kämpfend, endlich bewusstlos umfallen. Getötet und zerlegt werden sie anschließend von Akkordarbeitern, die unter unwürdigen Bedingungen schuften, um vom Hungerlohn ihre Familien, oft in Bulgarien oder Rumänien, zu ernähren. Und am Ende büßen sogar die Verbraucher: Denn der hohe Fleischkonsum der Deutschen, den sich viele nur aufgrund der billigen Preise leisten können, ist keineswegs gesund und belastet das Gesundheitssystem unserer Gesellschaft. Es wird Zeit, dass die Wenigen büßen, die bisher profitierten.

Am Billigfleisch verdienen nur Großunternehmer wie Clemens Tönnies, die ganz oben in der Vermarktungskette der Konzerne sitzen. Deutschland hat riesige Fleischfabriken gezüchtet. Während die Massenproduktion das Fleisch immer weiter verbilligte, gaben in den vergangenen Jahrzehnten kleine Schlachthöfe unter dem Druck von EU-Regularien auf. Sie konnten im Preiskampf nicht bestehen. Politik und Verbraucher müssen dieses Rad gemeinsam wieder zurückzudrehen. Zum einen müssen sich die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie verbessern. Massenunterkünfte und Anstellung in Subunternehmen gehören abgeschafft, einem entsprechenden Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil hat das Bundeskabinett am Mittwoch zugestimmt.

Die von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner angestoßene Aktion, die Schweinen mehr Platz in Ställen bringen soll, ist dagegen lächerlich langsam. Für den Umbau haben Landwirte 15 Jahre lang Zeit. Hier bräuchte es schleunigst ehrliche, umfassende Veränderungen für mehr Tierwohl.

Löblich ist derweil die Forderung der Freien Wähler in Bayern: Sie wollen kleine Schlachthöfe besser fördern und zurück zur dezentralen Fleischproduktion. An genau diesem Punkt kommen nun die Fleischesser ins Spiel. In Umfragen geben sie regelmäßig an, für besseres Fleisch mehr bezahlen zu wollen. Bislang ist das bei den meisten nur ein leeres Versprechen. Dabei ist es ganz einfach: Wer sich für einen regionalen Metzger entscheidet, setzt schon heute den Wandel in Gang. Oft steht dort auf einer Tafel, von welchem Landwirt das Fleisch kommt. Oder eine kurze Nachfrage an der Theke hilft, herauszufinden, wie und wo das Tier geschlachtet wurde. Dadurch kann jeder schnell vieles bewirken: kurze Transportwege für die Tiere. Keine Massenbetäubung durch Kohlendioxid, sondern Elektrobetäubung für jedes einzelne Tier und eine Schlachtung ohne unnötiges Leid. Und das Geld fließt in die Region, nicht in Großschlachthöfe, Discounterketten und Fertigprodukte. Klar, dafür zahlt man ein paar Euro mehr, vielleicht auch das Doppelte. Doch dieses Geld holt jeder rein, der öfters auf Fleisch verzichtet und dafür mehr gesundes Gemüse isst.

Fleisch muss wieder etwas Besonderes werden, wertgeschätzt werden. Die Menschen haben sich vom Tier entfremdet, sie sehen nur ein steriles Produkt, in Plastik verpackt. Dabei trägt jeder Fleischesser eine Verantwortung für das Tier, das für ihn sterben muss. Man kann nicht immer nur auf die Politik warten - es sollte selbstverständlich sein, sich über Schlachtung und Tierwohl zu informieren und entsprechend zu handeln.

Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung