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Oskar Lafontaine

Maximaler Schaden

Oskar Lafontaine war einer der talentiertesten Politiker der Bundesrepublik: ein rhetorisches Naturereignis unter lauter politischen Sachbearbeitern.

Geschrieben von Stefan Reinecke am . Veröffentlicht in Menschen.
Ob die Linkspartei ohne Putin-Versteher, Coronazweifler und Populisten eine Zukunft hat, ist ungewiss. Sicher ist aber: Mit ihnen hat sie keine.
Ob die Linkspartei ohne Putin-Versteher, Coronazweifler und Populisten eine Zukunft hat, ist ungewiss. Sicher ist aber: Mit ihnen hat sie keine.
Foto: DIE LINKE / CC BY 2.0 (via Flickr)

Oskar Lafontaine war einer der talentiertesten Politiker der Bundesrepublik: ein rhetorisches Naturereignis unter lauter politischen Sachbearbeitern.

Seine altersweise Abschiedsrede im saarländischen Landtag über Krieg und Frieden versprühte noch mal etwas von diesem Glanz. Die letzte Rede eines Staatsmanns.

Ein Staatsmann? Dazu fehlte Lafontaine das Entscheidende. Wo Verantwortungsbewusstsein nötig war, war bei ihm ein maßloses Ego. Lafontaine hatte als Politiker immer etwas von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Das Großartige siedelte direkt neben dem Kleinlichen, das Mitreißende neben dem Zerstörerischen. Um das ganze Bild zu sehen, muss man neben seine Landtagsrede seine Erklärung zum Austritt aus der Linkspartei legen. "Nach dem sozialen Profil sollen jetzt auch noch die friedenspolitischen Grundsätze der Linken abgeräumt werden", klagt der einsame Rufer in der Wüste. Verrat allerorten. Dieses Austrittsschreiben dokumentiert jene Selbstgerechtigkeit, die immer seine Grenze und sein Scheitern markierte. So bleibt am Ende etwas Klägliches. Seine schwindende Bedeutung ließ sich an den Namen seiner Gegner ablesen: Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Dietmar Bartsch, schließlich Thomas Lutze. Dass er zehn Tage vor der Wahl im Saarland austritt, ist eine Art politisches Dumdumgeschoss. Er will maximalen Schaden in der Linkspartei anrichten.

Der Austritt ist ein Selbstzitat, das die Egozentrik des Ganzen unterstreicht. 1999 war Lafontaines Abgang als SPD-Chef eine Art Tragödie für die danach recht kopflose SPD-Linke. Der Austritt jetzt ist eine Farce. Für die derzeit orientierungslose Linkspartei ist all das nicht schön - aber nur auf den ersten Blick. Es ist naheliegend zu vermuten, dass auch Wagenknecht und ihre Getreuen der Partei bald den Rücken kehren könnten. Das kann der Linken im Bundestag sogar den Fraktionsstatus kosten. Doch dieser Exodus kann sich mittelfristig rechnen. Ob die Linkspartei ohne Putin-Versteher, Coronazweifler und Populisten eine Zukunft hat, ist ungewiss. Sicher ist aber: Mit ihnen hat sie keine.

Quelle: taz - die tageszeitung