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Grundrente: Grundsicherung zweiter Klasse

Niedrigverdiener, die ihr Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt, Kinder großgezogen oder Angehörige gepflegt haben, sollen künftig eine Grundrente erhalten, die über der steuerfinanzierten Mindestsicherung liegt. Damit steuert die GroKo geradewegs in eine Zwei-Klassen-Grundsicherung.

Geschrieben von Jochen Pimpertz am . Veröffentlicht in Politik.
Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 19. Wahlperiode des Bundestages: Barbara Hendricks, Hubertus Heil, Herrmann Gröhe
Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 19. Wahlperiode des Bundestages: Barbara Hendricks, Hubertus Heil, Herrmann Gröhe
Foto: Sandro Halank / CC BY-SA 3.0 via Wikipedia

Niedrigverdiener, die ihr Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt, Kinder großgezogen oder Angehörige gepflegt haben, sollen künftig eine Grundrente erhalten, die über der steuerfinanzierten Mindestsicherung liegt. Damit steuert die GroKo geradewegs in eine Zwei-Klassen-Grundsicherung.

Die Anerkennung von Lebensleistung ist der GroKo ein wichtiges Anliegen. Die entsprechende Koalitionsvereinbarung will Arbeitsminister Hubertus Heil bald umsetzen: Demnach sollen bedürftige Rentner, die mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, eine Grundrente erhalten, die zehn Prozent über dem individuellen Grundsicherungsanspruch liegt. Dazu zählen auch Zeiten der Kindererziehung und Pflege. Weitere Bedingung: Das gesamte Haushaltseinkommen, also auch das des Lebenspartners, und das gemeinsame Vermögen dürfen die Mindestsicherungsschwelle nicht überschreiten.

Auf den ersten Blick erscheint das leistungsgerecht. Bei genauerem Hinsehen ruft die Grundrente jedoch neue Ungereimtheiten hervor. De facto erhalten nämlich zwei gleichermaßen bedürftige Personen je nach Verlauf ihrer Erwerbsbiografie eine unterschiedlich hohe Mindestsicherung. Wer weniger als 35 Versicherungsjahre aufweist, zum Beispiel weil er zwischenzeitlich selbständig erwerbstätig war oder aus familiären oder gesundheitlichen Gründen pausiert hat, soll künftig weniger steuerfinanzierte Hilfe bekommen.

Diese Ungleichbehandlung entsteht, weil hier Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit vermischt werden: Eigentlich dient die Grundsicherung allein der Absicherung bei Bedürftigkeit. Weil damit eine menschenwürdige finanzielle Mindestausstattung garantiert werden soll, orientiert sich die Hilfe am Bedarf. Damit ist die Grundsicherung das falsche Mittel, um Lebensleistung anzuerkennen.

Diese spiegelt sich vielmehr in der gesetzlichen Rente wider, zumindest solange Lebensleistung an beitragspflichtigen Einkommen, Erziehungs- und Pflegeleistungen gemessen wird. Wer beispielsweise selbständig tätig war, muss alternativ vorsorgen. Wer sich ausschließlich um die Familie gekümmert hat, sollte die Vorsorge gemeinsam mit dem Partner planen. Übrigens bietet die gesetzliche Rentenversicherung auch hierzu eine Option: das Rentensplitting, bei dem Beitragszeiten beider Partner zu gleichen Teilen angerechnet werden.



Quelle: IW Köln