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Warnstreiks: Überzogene Muskelspiele

Warnstreiks sind im Öffentlichen Dienst keine Besonderheit. In den Tarifrunden mit den kommunalen Arbeitgebern, die zusammen mit dem Bund verhandeln, gehen die Gewerkschaften aber viel härter vor als in den Tarifrunden mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Die Streiks treffen weniger die Arbeitgeber, sondern eher Berufspendler, Eltern oder Fluggesellschaften und deren Passagiere.

Geschrieben von Hagen Lesch am . Veröffentlicht in Politik.
Foto: Tilgnerpictures / CC0 via Pixabay

Warnstreiks sind im Öffentlichen Dienst keine Besonderheit. In den Tarifrunden mit den kommunalen Arbeitgebern, die zusammen mit dem Bund verhandeln, gehen die Gewerkschaften aber viel härter vor als in den Tarifrunden mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Die Streiks treffen weniger die Arbeitgeber, sondern eher Berufspendler, Eltern oder Fluggesellschaften und deren Passagiere.

Busse und Bahnen bleiben in den Depots, Kitas sind geschlossen und Fluggesellschaften müssen Flugverbindungen streichen: Die Gewerkschaften legen mit ihren zu Tagesstreiks ausgedehnten Warnstreiks Teile des öffentlichen Lebens lahm. Streiken ist das gute Recht der Gewerkschaften. Jedoch muss man fragen, warum ver.di und Co bei den kommunalen Arbeitgebern (VKA) viel aggressiver agieren als in den Tarifverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt: Seit 2008 betrug die durchschnittliche Konfliktintensität – sie misst alle Eskalationsstufen, angefangen von der Tarifverhandlung bis hin zum Streik – bei der TdL lediglich 60 Punkte, bei der VKA sind es 97. Die Gewerkschaften gehen also dort, wo die Bürger am härtesten von Tagesstreiks betroffen sind, anderthalbmal schärfer vor als in anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes. Während in den Ländern erst ab der zweiten Verhandlungsrunde zum Warnstreik aufgerufen wird, geschieht dies in den Kommunen seit 2012 regelmäßig schon ab der ersten Verhandlungsrunde.

Warum ver.di und andere Gewerkschaften ihre Muskeln auf Kosten unbeteiligter Dritter spielen lassen, liegt auf der Hand: Bei Tagesstreiks wird Streikgeld gezahlt – das erhöht die Mobilisierung. Und wo mobilisiert wird, lassen sich leichter neue Mitglieder gewinnen. Ob dadurch auch höhere Löhne durchgesetzt werden, bleibt fraglich. Die kommunalen Arbeitgeber dürfte das nämlich unbeeindruckt lassen. Sie können während des Ausstands sogar Personalkosten einsparen. Und für den Tarifabschluss sind nicht die Tagesstreiks, sondern die wirtschaften Rahmenbedingungen entscheidend: Die Arbeitgeber müssen eine ordentliche Gehaltserhöhung anbieten, um mit der Privatwirtschaft Schritt zu halten. Ein Balanceakt, denn gleichzeitig müssen sie die prekäre Haushaltssituation vieler Kommunen im Auge behalten.

Tarifrunden im Öffentlichen Dienst 2008 bis 2018*

Jahr

Arbeitgeber

Konflikt-punkte

Streik-drohungen

Streik-aufruf

Warn-streiks

Scheitern der Tarif-verhandlungen

Warnstreiks nach Ver-handlungsrunde

2008

VKA/Bund

20

1

2

2

1

3

2009

TdL

17

3

2

2

0

2

2010

VKA/Bund

14

2

1

1

1

2

2011

TdL

9

2

1

1

0

2

2012

VKA/Bund

15

1

2

2

0

1

2013

TdL

10

3

1

1

0

2

2014

VKA/Bund

16

2

2

2

0

1

2015

TdL

16

2

2

2

0

2

2016

VKA/Bund

16

2

2

2

0

1

2017

TdL

8

1

1

1

0

2

2018

VKA/Bund

16

2

2

2

0

1

Insgesamt ab 2008

VKA/Bund

97

10

11

11

11

 

Insgesamt ab 2008

TdL

60

11

7

7

7

 

Konfliktpunkte: 0 = Tarifverhandlung, 1 = Streik- und Aussperrungsdrohung, 2 = Abbruch der Verhandlungen, 3 = Streikankündigung oder -aufruf, 4 = Warnstreik, 5 = Scheitern der Tarifverhandlungen und Schlichtung oder juristische Auseinandersetzung, 6 = Scheitern und Urabstimmung oder unmittelbarer Streikaufruf, 7 = Streik und Aussperrung
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft

 



Quelle: IW Köln