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Altersarmut: Neue Zahlen, alte Denkfehler

In Deutschland sind deutlich mehr Rentnerinnen und Rentner von Armut betroffen als bisher gedacht, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Sie beruft sich auf eine Erhebung, die sich auf die Einkommen der Rentner konzentriert, nicht aber auf deren Vermögen. Vier Gründe, die erklären, warum daraus keine neuen Argumente pro Grundrente erwachsen.

Geschrieben von Jochen Pimpertz am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Coombesy / CC0 (via Pixabay)

In Deutschland sind deutlich mehr Rentnerinnen und Rentner von Armut betroffen als bisher gedacht, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Sie beruft sich auf eine Erhebung, die sich auf die Einkommen der Rentner konzentriert, nicht aber auf deren Vermögen. Vier Gründe, die erklären, warum daraus keine neuen Argumente pro Grundrente erwachsen.

Eine neue Auswertung bekannter Daten kommt zu dem Schluss, dass der Anteil der gesetzlichen Rentner, die als armutsgefährdet gelten, höher ist als ursprünglich angenommen. Hintergrund: Bisher wurden Rentner und Pensionäre zusammen betrachtet – allerdings haben ehemalige Beamte und Beamtinnen oft höhere Alterseinkünfte. Werden die ehemaligen Staatsdiener herausgerechnet, sei das Armutsrisiko im Alter höher als bisher angenommen, so der Bericht. Vier Gründe, warum dieser Befund in der aktuellen Debatte über Grund-, Lebensleistungs- oder Respekt-Rente kaum weiterhilft.

1. Niedriges Einkommen führt nicht immer zu Bedürftigkeit
Das statistische Konzept der Armutsgefährdung berücksichtigt ausschließlich das Einkommen eines Haushalts, das Vermögen bleibt außen vor. Und längst nicht jeder Sparer besitzt einen Riester-Vertrag oder erhält eine Betriebsrente: Manche Rücklagen werden erst zum Übergang in den Ruhestand in einer Summe ausgezahlt, zum Beispiel bei der Kapitallebensversicherung. Wer damit beispielsweise die Hypothek seiner Immobilie tilgt, wohnt im Alter mietfrei und benötigt deshalb weniger Einkommen. Bei gleicher materieller Ausstattung würde ein Häuslebauer mit geringer Rente deshalb eher unter den armutsgefährdeten Rentnern auftauchen als ein Mieter. Ein niedriges Einkommen bedeutet also nicht immer auch Bedürftigkeit.

2. Vermögen wird immer wichtiger
Es gibt einige Indizien, dass Vermögen eine wichtige Rolle für die Lebensstandardsicherung im Alter spielen. Deshalb wäre es notwendig, die Einkommens- und Vermögensverteilung integriert zu betrachten. Das ist aber – bis auf wenige Einzelstudien – bislang nicht etabliert.

3. Nur drei Prozent der Rentner beziehen Grundsicherung
Die Grundsicherung wäre ein Indikator, um zu zeigen, ob jemand tatsächlich bedürftig und armutsgefährdet ist. Im Jahr 2016 erhielten gerade einmal drei Prozent der über 65-Jährigen Grundsicherung. Von denen, die eine gesetzliche Rente beziehen, waren es zuletzt nur 2,7 Prozent.

4. Die Dunkelziffer lässt sich kaum abschätzen
Armutsgefährdungs- und Grundsicherungsquote fallen weit auseinander. Es liegt also nahe, dass viele Haushalte über Vermögen verfügen. Das müsste zunächst abgeschmolzen werden, ehe steuerfinanzierte Hilfen fließen. Daneben gibt es aber auch bedürftige Rentner, die aus Scham nicht zum Sozialamt gehen, die Zahl der Betroffenen liegt im Dunkeln. Damit soll der statistische Befund armutsgefährdeter Rentner-Haushalte weder relativiert noch das Problem der Altersarmut bagatellisiert werden. Der Zusammenhang macht vielmehr deutlich, welchen Stellenwert die Bedürftigkeitsprüfung hat, wenn es darum geht, steuerfinanzierte Hilfen dorthin zu lenken, wo sie benötigt werden. Deshalb sollten die besorgniserregenden Befunde zur Armutsgefährdung in der aktuellen Debatte über eine Grundrente nicht instrumentalisiert werden. Vielmehr sollten sich die Anstrengungen darauf konzentrieren, wie man eine Bedürftigkeitsprüfung so organisieren kann, dass sie für die Betroffenen weniger beschämend wirkt.



Quelle: IW Köln