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BKA-Bilanz zur Silvesternacht: Die meisten Täter bleiben unerkannt

Das Bundeskriminalamt hat seine Untersuchungen zur Silvesternacht abgeschlossen. Die strafrechtliche Bilanz fällt ernüchternd aus. Demnach kam es nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) zu knapp 900 Sexualdelikten mit mehr als 1.200 Opfern. Aber es wurden nur 120 Verdächtige ermittelt.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Unsplash / CC0 via Pixabay

Das Bundeskriminalamt hat seine Untersuchungen zur Silvesternacht abgeschlossen. Die strafrechtliche Bilanz fällt ernüchternd aus. Demnach kam es nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) zu knapp 900 Sexualdelikten mit mehr als 1.200 Opfern. Aber es wurden nur 120 Verdächtige ermittelt.

"Wir müssen davon ausgehen, dass viele dieser Taten auch im Nachgang nicht mehr ausermittelt werden", sagte BKA-Präsident Holger Münch gegenüber NDR, WDR und SZ. Da es sich nach Auffassung des BKA um ein neues Kriminalitätsphänomen in Deutschland handelt, haben Beamte alle Daten zu Übergriffen durch Gruppen im öffentlichen Raum zu Silvester gesammelt. Deutschlandweit, so das Ergebnis der BKA-Erhebung, habe es 642 reine Sexualdelikte gegeben, 47 Tatverdächtige wurden ermittelt. Bei sogenannten "Kombinationsdelikten" - wenn Sexualdelikte etwa mit Diebstahl einhergingen - zählte das Bundeskriminalamt 239 Straftaten, ermittelt wurden 73 Tatverdächtige. Die meisten Verdächtigen sollen aus Nordafrika stammen, Syrer seien praktisch nicht beteiligt.

Bei einigen dieser Straftaten sind mehrere Frauen betroffen gewesen. So kommt das BKA auf eine Zahl von insgesamt mehr als 1.200 Opfern sexueller Übergriffe in der Silvesternacht: rund 650 in Köln, mehr als 400 in Hamburg sowie weitere in Stuttgart, Düsseldorf und an anderen Orten. Da es um Übergriffe in Gruppen ging, waren wahrscheinlich mehr als 2.000 Männer an den Taten beteiligt, schätzen Beamte, die an der BKA-Studie mitgewirkt haben.

Bislang hat es nur vier Verurteilungen zu den Sexualdelikten aus der Silvesternacht gegeben. In Düsseldorf und Nürtingen wurden Haftstrafen verhängt. In Köln wurden zwei Männer zu Bewährungsstrafen verurteilt. Jeweils einen Freispruch gab es in Köln und Hamburg. In Hamburg haben die Gerichte zudem nach Informationen von NDR, WDR und SZ inzwischen alle Tatverdächtigen aus der U-Haft entlassen, insgesamt fünf.

Den Hamburger Gerichten erschien das Beweismaterial nicht ausreichend, sie sahen keinen dringenden Tatverdacht mehr. In einem Verfahren gegen drei Beschuldigte bemängelten die Richter, es hätte Defizite bei den Vernehmungen gegeben, diese seien wohl "einem gewissen Erwartungsdruck" geschuldet gewesen. Die Staatsanwaltschaft wies die Kritik zurück. Sie hat bei vier Beschuldigten Beschwerde gegen die Aufhebung der Haftbefehle eingelegt, die Anklagen bleiben bestehen.

Als Gründe für die ernüchternde strafrechtliche Bilanz sieht das BKA einige "Ermittlungshemmnisse": Es habe kein geeignetes Bildmaterial aus der Nacht gegeben und von den betroffenen Frauen kaum aussagekräftige Beschreibungen der Täter. Bei den 120 identifizierten Verdächtigen ist der Tatverdacht zum Teil offenbar nur vage.

Laut der Erhebung des BKA hielt sich rund die Hälfte der Tatverdächtigen erst seit kurzer Zeit in Deutschland auf, also weniger als ein Jahr. BKA-Präsident Holger Münch: "Insofern gibt es schon einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Phänomens und der starken Zuwanderung gerade in 2015".

Die Taten in den verschiedenen Städten seien wohl nicht vorab geplant und verabredet gewesen. "Wir haben dazu keine Beweise", so Münch. Kurz nach Silvester hatte Justizminister Maas noch von "organisierter Kriminalität" gesprochen. Als Konsequenz aus den Übergriffen fordert BKA-Präsident Holger Münch nun mehr Polizeipräsenz und Videoüberwachung zu Silvester und anderen öffentlichen Großveranstaltungen.

Die Ergebnisse des BKA, die im Rahmen der Bund-Länder-Projektgruppe "Silvester" zusammengetragen wurden, werden in Kürze veröffentlicht. Ein 50-seitiger Berichtsentwurf liegt den Ländern derzeit zur Abstimmung vor. Zu Details der Endfassung wollte sich das BKA nicht äußern.



Quelle: NDR