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Debatte

Deutschland ringt um Taurus-Lieferung

Wenn sie ihre Mannschaft auf den nächsten Gegner einstellen wollen, verschieben Fußballtrainer blaue und rote Knöpfe auf der magnetischen Taktiktafel. Womöglich empfinden viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit das exakt so, was derzeit in der deutschen politischen Landschaft geschieht.

Geschrieben von Lothar Leuschen am . Veröffentlicht in Themen.
Vordergründig geht es innerhalb und außerhalb des Bundestages um die Frage, ob Deutschland der Ukraine Marschflugkörper vom Typ Taurus zur Verfügung stellt.
Vordergründig geht es innerhalb und außerhalb des Bundestages um die Frage, ob Deutschland der Ukraine Marschflugkörper vom Typ Taurus zur Verfügung stellt.
Foto: ILA-boy / CC BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Wenn sie ihre Mannschaft auf den nächsten Gegner einstellen wollen, verschieben Fußballtrainer blaue und rote Knöpfe auf der magnetischen Taktiktafel. Womöglich empfinden viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit das exakt so, was derzeit in der deutschen politischen Landschaft geschieht.

Vordergründig geht es innerhalb und außerhalb des Bundestages um die Frage, ob Deutschland der Ukraine Marschflugkörper vom Typ Taurus zur Verfügung stellt. Diese Waffe ist explosive Hochtechnologie und so gebaut, dass Ziele in bis zu 500 Kilometer Entfernung zentimetergenau getroffen werden können. Die ukrainische Armee hätte dadurch die Chance, die Nachschublinien der russischen Armee zu zerstören. Für die Ukraine geht es also schlicht und ergreifend darum, sich effektiv eines kriminellen Angriffs zu erwehren.

Darum geht es in Deutschland in der Debatte um die Lieferung der von Kiew ersehnten Rakete nicht, zumindest nicht in erster Linie. Vielmehr erwecken die Akteure hierzulande den Eindruck, sich vor der politischen Taktiktafel versammelt zu haben. An der verschiebt die Union beispielsweise ihr ganzes Team nach vorn, macht sich vehement dafür stark, dass Deutschland den Taurus liefert. Die SPD hingegen hat aus dem zunächst ängstlichen Zögern ihres Kanzlers anscheinend ein neues Parteiprofil generiert und versucht nun, sich als Friedenspartei in der Wählerschaft beliebt zu machen. Die Fachleute im Willy-Brandt-Haus können halt Umfragen lesen. Sie wissen also, dass fast 60 Prozent der Deutschen der Ukraine den Marschflugkörper lieber nicht geben wollen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle der Koalitionspartner in der Bundesregierung. Sowohl die Grünen als vor allem auch die FDP scheinen tendenziell für die Lieferung zu sein, aber nur, wenn der Kanzler nicht dagegen ist. Wer will schon verantworten, dass die Koalition zerbricht? In diesen Tagen will die Union abermals versuchen, aus dem Taurus einen Spaltpilz zu machen. Das deutsche Taktikspielchen geht weiter. Das Sterben in der Ost-Ukraine auch.

Quelle: Westdeutsche Zeitung