Die Schande Europas
Es ist eine Schande für die Europäische Union, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Es ist eine Schande, dass Retter vom italienischen Innenminister Matteo Salvini kriminalisiert werden. Es ist eine Schande, dass Gerettete zusammengepfercht auf Booten ausharren, weil sie erst nach einer Odyssee an Land dürfen. Warum bilden die Urlauber an italienischen Stränden keine Menschenkette, um das Unrecht anzuprangern? Warum gibt es keine Menschenketten auf den Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer? Wer mag sich seelenruhig entspannen, wenn draußen auf See Geflüchtete ersaufen?
Es ist eine Schande für die Europäische Union, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Es ist eine Schande, dass Retter vom italienischen Innenminister Matteo Salvini kriminalisiert werden. Es ist eine Schande, dass Gerettete zusammengepfercht auf Booten ausharren, weil sie erst nach einer Odyssee an Land dürfen. Warum bilden die Urlauber an italienischen Stränden keine Menschenkette, um das Unrecht anzuprangern? Warum gibt es keine Menschenketten auf den Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer? Wer mag sich seelenruhig entspannen, wenn draußen auf See Geflüchtete ersaufen?
Da es Salvini offensichtlich an Herz mangelt, rütteln ihn ja vielleicht die Gefahren für die Tourismusbranche wach. Allein Italien zu beschuldigen, greift natürlich viel zu kurz. Salvinis Verhalten ist abstoßend und nicht zu entschuldigen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Italien mit den Problemen der illegalen Migration seit vielen Jahren oft allein gelassen worden ist. Eine menschenwürdige Migrationspolitik liegt in der Verantwortung der gesamten EU. Was zu tun wäre, wird dort regelmäßig debattiert und scheitert dann immer wieder an Widerständen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat es am Wochenende mit Blick auf die jüngsten Fälle treffend gesagt: Die EU-Kommission muss organisieren, dass Geflüchtete an Land dürfen und EU-weit gerecht verteilt werden. Seehofer kombinierte es mit dem Angebot, dass Deutschland seinen Teil der Verantwortung übernimmt, so wie es das zuletzt mehrfach der Fall war. Ähnliche Offerten hätte man sich zügig auch aus allen anderen EU-Staaten gewünscht. Man mag Seehofers Asylpolitik der vergangenen Jahre kritisch sehen. Das ist alles tausendfach diskutiert. Es ändert nichts daran, dass er bei der Öffnung der Mittelmeerhäfen für Rettungsboote richtig liegt. Erinnert sei auch an Seehofers Forderung - noch als Ministerpräsident - bei der grundsätzlichen Verteilung von Geflüchteten in der EU mit bereitwilligen Länder zu beginnen und die hartnäckigsten Gegner des Verfahrens zu einer finanziellen Beteiligung an den Kosten zu verpflichten. Wer erbärmlicherweise selbst Zahlungen verweigert, dem sollten EU-Gelder für sein Land entsprechend gekürzt werden. Letzteres übrigens kein Seehofer-Vorschlag, aber eine Idee, die Protagonisten flott machen kann.
Es dürfen keine Menschen ertrinken. Das muss auch Flüchtlingsgegnern klar sein. Man mag darüber debattieren, wer auf Dauer in der EU bleiben darf. Jedes Land wird für sich eine Grenze haben, ab der sich die Aufnahme nicht mehr ordentlich regeln lässt. Doch das hat mit dem Abriegeln der Häfen für Boote mit Geretteten überhaupt nichts zu tun. Hilfe für Schiffsbrüchige und Ertrinkende ist unverhandelbar. Bei niemanden sollte dafür Überzeugungsarbeit nötig sein. Menschen in Not werden aus dem Wasser gezogen, an Land gebracht und gut versorgt - und erst danach geklärt, wie es mit ihnen weitergeht.
Macht uns diese Menschlichkeit aus Sicht der kriminellen Schlepper berechenbar? Ja. So ist es dann eben. Was wären wir für Menschen, wenn wir andere sterben lassen, um ein Exempel zu statuieren? Solange EU-Politiker in Schlüsselpositionen keine Lösung finden, braucht es Druck - und Menschen mit Mut, die gegen alle Widerstände das Richtige tun. Kapitänin Carola Rackete, Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer und all die anderen: Sie folgen einem einfachen Credo: Es ist eine Schande, wenn Menschen ertrinken. Ihr Job erübrigt sich, sobald die EU endlich ihre Aufgaben erfüllt. Es wäre für die EU tatsächlich auch eine Chance, gerade nach den letzten Tagen, in denen das Geschachere um hohe EU-Posten viele Wähler verprellt hat. Europa könnte zeigen: Wenn es wirklich darauf ankommt, findet der Kontinent nach vielen Irrungen dann doch den richtigen Weg.