Skip to main content
Wörter | Min. Lesezeit |

Im Osten was Neues

Es gibt hartnäckige Grundüberzeugungen, die mit der Wirklichkeit nur wenig gemein haben. Eine davon lautet: Die neuen Bundesländer sind ein Fass ohne Boden. Tatsächlich wurden mit den vielen Fördermilliarden aber keine "Klodeckel vergoldet", wie es die Ost-Beauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke jetzt plastisch auf den Punkt brachte.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Wici / Public Domain (via Wikimedia Commons)

Es gibt hartnäckige Grundüberzeugungen, die mit der Wirklichkeit nur wenig gemein haben. Eine davon lautet: Die neuen Bundesländer sind ein Fass ohne Boden. Tatsächlich wurden mit den vielen Fördermilliarden aber keine "Klodeckel vergoldet", wie es die Ost-Beauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke jetzt plastisch auf den Punkt brachte.

Vielmehr ist die Saat der teuren Hilfsprogramme vielerorts aufgegangen. Dafür gibt es mehrere Beweise: Immerhin ist die Abwanderung aus den neuen Ländern zum Erliegen gekommen, sind Universitätsstädte wie Leipzig oder Jena kein Geheimtipp mehr, herrscht mancherorts sogar Arbeitskräftemangel. In diesen Regionen ist der Osten schon seit längerer Zeit "Westen" und damit ein Ausdruck von Normalität. Das hat nicht nur mit den liebevoll restaurierten Häusern und einer gut ausgebauten Infrastruktur zu tun. Zur Erfolgsbilanz gehört genauso eine spürbare Reindustrialisierung, auch wenn sie deutlich kleinteiliger ausfällt als in den alten Bundesländern. Es hat sich also eine Menge zum Positiven gewendet.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die wenigen "Leuchttürme" die weiter stark schrumpfenden Gebiete nicht zu überstrahlen vermögen. In den alten Ländern gibt es zwar vergleichbare Probleme. Nur eben nicht in der Intensität. Dafür genügt ein simpler Zahlenvergleich. Im Osten wird Prognosen zufolge schon im Jahr 2030 fast jeder dritte Einwohner 64 und älter sein. Im Westen ist dieser Anteil erst für 2060 realistisch. Der Unterschied erklärt sich in erster Linie aus dem großen Aderlass an jungen Menschen, die nach dem Mauerfall in den Westen gegangen sind. Auf diese Weise wird der Osten nun gewissermaßen zum Versuchslabor für eine Entwicklung, die längerfristig für ganz Deutschland programmiert ist, und die auch politische Konsequenzen verlangt.

Gefragt sind unkonventionelle Ideen, um auch ländliche Räume zu stärken. So holte der Bürgermeister von Golzow, einer kleinen Gemeinde im Oderbruch, vor einigen Monaten zwei syrische Familien ins Dorf, um die Schließung der Schule zu verhindern. Ohne deren Nachwuchs wäre die vorgeschriebene Klassenstärke nicht erreicht worden. Überhaupt könnte der Osten von einer gesteuerten Zuwanderung in besonderem Maße profitieren. Denn wer als Brandenburger oder Sachse längst in München oder Stuttgart sein Geld verdient, der wird kaum mehr in seine alte Heimat zurückkehren, um dort Personallücken zu füllen. Ausländer womöglich schon. Dazu müssten sich allerdings in der Tat vielerorts die Einstellungen ändern. Mit Pegida & Co werden die Probleme jedenfalls nicht zu lösen sein.



Quelle: ots/Lausitzer Rundschau