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In der Empörungsfalle

Hass ist die Rache des Feiglings, der eingeschüchtert ist, bemerkte der Dramatiker George Bernard Shaw. Die Pegida-Demonstration vom vorgestrigen Abend in Dresden hat leider eine neue, schlimme Stufe des Hasses und der Feigheit erreicht. Was vor einem Jahr als Empörung gegen die "Islamisierung des Abendlandes" begann, ist zu einem Aufmarsch der Feindseligkeit gegenüber Asylsuchenden, gegen maßgebliche Politiker, gegen das demokratische System, gegen Medien geworden.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: picturepest / Flickr (CC)

Hass ist die Rache des Feiglings, der eingeschüchtert ist, bemerkte der Dramatiker George Bernard Shaw. Die Pegida-Demonstration vom vorgestrigen Abend in Dresden hat leider eine neue, schlimme Stufe des Hasses und der Feigheit erreicht. Was vor einem Jahr als Empörung gegen die "Islamisierung des Abendlandes" begann, ist zu einem Aufmarsch der Feindseligkeit gegenüber Asylsuchenden, gegen maßgebliche Politiker, gegen das demokratische System, gegen Medien geworden.

Pegida erlebte eine Radikalisierung, die zum Teil über die Grenzen unserer Verfassung hinausgeht, über die Grenzen kulturvollen politischen Streits ohnehin. Doch politische Debatte, auch hart in der Sache, ist dabei offensichtlich schon lange nicht mehr gewollt. Es geht vielen Marschierern vielmehr um trotziges Einfordern ihres Standpunktes. Das Boot ist voll. Merkel, Gabriel und Co. seien "Volksverräter". Ab an den Galgen mit ihnen. Wer so denkt, redet und demonstriert, dem ist nicht an einem friedlichen Interessenausgleich, nicht an einer humanen Flüchtlingspolitik und Integration von Menschen gelegen, die aus schierer Not zu uns flüchteten.

Es ist dies der bittere Hass, der aus Verlust- und Veränderungsängsten entsteht. Unrühmlicher Tiefpunkt war nun die Entgleisung des deutsch-türkischen Rechtspopulisten Akif Pirincci. Der Mann verstieg sich nicht nur zur Verunglimpfung deutscher Politiker als "Gauleiter gegen das eigene Volk", sondern bedauerte gar, dass KZs ja "leider derzeit außer Betrieb" seien. Damit hat der Autor nicht nur einen unsäglichen Vergleich bemüht, sondern zugleich ein historisches Tabu gebrochen. Damit ist es nicht mehr weit bis zu Holocaust-Leugnern vom Schlage eines David Irving. Vermutlich hat Pirincci damit allerdings auch den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Das muss die Justiz nun prüfen. Gegen rechtsextreme, geschichtsvergessene Hassprediger hilft nun wirklich nur noch die Härte des Rechtsstaates. Dass sich selbst der vorbestrafte Pegida-Anführer Lutz Bachmann von Pirinccis unsäglichem Auftritt distanziert, geschah wohl eher aus der Sorge, dass der Staat den ganzen Spuk verbieten könnte.

Etwas anders mögen die Dinge bei vielen der Mitläufer liegen, die die Pegida als ihr Wut-Ventil auf "die da oben" betrachten. Dass man sich Sorgen um zu viele Flüchtlinge in Deutschland macht, dass Fragen zur Funktionsfähigkeit der Kommunen, zur Leistungsfähigkeit unserer Sozialsysteme gestellt werden, ist legitim, Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge, gegen Politiker, Bürgermeister, Landräte, Polizisten, gegen Journalisten ist es nicht. Pegida-Mitläufer können nur erreicht werden mit klaren, ehrlichen Worten, mit Konzepten, die wir diese riesige Herausforderung meistern können. Einfache Wir-schaffen-das-Rhetorik der Kanzlerin reicht dazu ebenso wenig aus wie die Wir-machen-die-Grenzen-dicht-Phantasien von anderen Konservativen.

Allerdings müssen Politiker aufpassen, dass sie dabei nicht gewissermaßen in eine Empörungsfalle treten. Vizekanzler Sigmar Gabriel und Innenminister Thomas de Maizière zeigten vor Monaten noch reichlich Verständnis für Pegida-Besorgte. Inzwischen sind sie offenbar eines Schlechteren belehrt worden und empören sich mit harten Worten. Doch Empörung allein reicht nicht. Es braucht Antworten. Selbst wenn viele der Anti-Flüchtlingsmarschierer mit Argumenten nicht mehr erreichbar scheinen. Sie laufen ihren liebgewordenen Feindbildern hinterher. Dass sich nun Tausende Menschen den Hass-Demonstranten entgegenstellen und dass Tausende weiterhin den Flüchtlingen helfen, ist das eigentlich ermutigende Zeichen.



Quelle: ots / Mittelbayerische Zeitung