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Leichtsinn im Krisenmanagement: Gar nicht alles ist gut gelaufen

Seit mindestens zwei Monaten lässt sich beobachten, wie der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes in der Corona-Krise agiert. Als Talkgast bei Anne Will zeigte Armin Laschet, dass ihm bis heute ein grundlegendes Verständnis der Pandemie zu fehlen scheint. Den Schulbetrieb in NRW am vergangenen Donnerstag teilweise wiederaufzunehmen, verteidigte er mit den Worten: "Es ist alles gut gelaufen."

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Armin Laschet will ins Kanzleramt
Armin Laschet will ins Kanzleramt
Foto: Christliches Medienmagazin pro / CC BY-SA 2.0 (via Flickr)

Seit mindestens zwei Monaten lässt sich beobachten, wie der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes in der Corona-Krise agiert. Als Talkgast bei Anne Will zeigte Armin Laschet, dass ihm bis heute ein grundlegendes Verständnis der Pandemie zu fehlen scheint. Den Schulbetrieb in NRW am vergangenen Donnerstag teilweise wiederaufzunehmen, verteidigte er mit den Worten: "Es ist alles gut gelaufen."

Mag sein, dass es organisatorisch passabel geklappt hat, obwohl viele Lehrer, Eltern und Schüler das anders sehen. Aber ob der Schritt mit Blick auf deren Gesundheit - und damit auch der ihrer Familien und ihres privaten Umfelds - tatsächlich richtig war, lässt sich schlicht noch nicht beurteilen. Die Statistiken geben frühestens in ein, zwei Wochen erste Anhaltspunkte. Ob an den Schulen "alles gut gelaufen" ist, lässt sich vielleicht in einem Monat sagen. Denn das Coronavirus verbreitet sich auf tückische Art, die Infektionsketten lassen sich kaum nachvollziehen, und Klarheit gibt es erst, wenn es im Zweifel zu spät ist.

Dass Armin Laschet diese elementare Erkenntnis nicht zu verstanden haben scheint, lässt sich kaum erklären. Ohnehin bleibt fraglich, wie stark sich ausgerechnet bei Teenagern auf Einsicht und Vernunft bauen lässt. Dieselben jungen Menschen, die an lauen Frühsommerabenden in Parks zusammensitzen, sollen tagsüber in der Schule mindestens 1,50 Meter Abstand halten und sich immer wieder die Hände waschen, selbst wenn sich an den Waschbecken Schlangen bilden. Das Land und sein Ministerpräsident sind also ein kaum zu überschauendes Risiko eingegangen, und es war eine bewusste Abwägung, wie er auch selbst nicht müde wird zu beteuern.

Nur: Was wurde eigentlich abgewogen? Armin Laschet hat sich bei seinen Vorstößen auf Wissenschaftler und Berater gestützt, deren Arbeit in die Kritik geraten ist. Er argumentiert mit gesundheitlichen Schäden und negativen sozialen Folgen der Einschränkungen des öffentlichen Lebens, was zwar eine legitime Befürchtung ist, sich aber weder nachweisen noch aufrechnen lässt. Die Abwägung scheint bei dem Bedürfnis der Menschen anzusetzen, endlich zu einer wie auch immer gearteten Normalität zurückzukehren. Aber so wird letztlich ein unbestimmtes Empfinden über die faktischen Anforderungen einer erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie gestellt. Man muss nicht wie die Bundeskanzlerin von "Öffnungsdiskussionsorgien" sprechen, um das wenig hilfreich zu finden.

Inzwischen hat der Einzelhandel geöffnet, von der Gastronomie ist die Rede, bald soll die Bundesliga den Spielbetrieb aufnehmen, und auch auf diesen Feldern setzte Armin Laschet seine Impulse. Was ihn treibt? Man sollte ihm nicht unlautere Motive unterstellen, sondern ihm die Ernsthaftigkeit seiner Sorge um die Folgen der Einschränkungen abnehmen. Aber es wäre naiv anzunehmen, dass seine politische Wunschkarriere, die ihn ins Kanzleramt führen soll, überhaupt nichts damit zu tun haben soll. Er setzt sich ab von Angela Merkel, der er nachfolgen will - das lässt sich erkennen, unabhängig davon, wie man es deutet. Nur findet sich der Mann, der in die Offensive gehen wollte, nun in der Defensive wieder. Es ist ein Konflikt, der sich mitten in der Pandemie zeigt, deren Ende sich noch längst nicht abzeichnet.

Am Anfang lief es eher anders herum. Viele politische Akteure unterschätzten die Gefahr und räumen dies auch ein. Ehrenrührig ist das nicht. Und ohnehin hätte ein radikaler Shutdown im Februar keine Mehrheiten gefunden, auch wenn er im Nachhinein effektiver gewesen wäre als alles, was dann kam. Dass aber Kommunen wie Gangelt, wo sich das Virus nach einer Karnevalsveranstaltung auf andere Orte in NRW ausbreitete, über Wochen auf sich allein gestellt waren, sollte die Landesregierung selbstkritisch würdigen.

Für eine politische Bilanz ist es viel zu früh. Zu langsam eingestiegen, zu schnell ausgestiegen, schlecht umgesetzt: Das käme jedoch einer vernichtenden Kritik an der Pandemiebekämpfung gleich, für die sich Armin Laschet wappnen sollte. Denn, er hat es selbst gesagt, es geht um Leben und Tod.

Quelle: ots/Rheinische Post