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Merkel und Corona

Deutlicher konnte die Ansage kaum sein: "Zu forsch" nennt die Kanzlerin die Umsetzung der beschlossenen Lockerungsmaßnahmen. Angela Merkel macht klar, was sie vom Vorpreschen einzelner Ministerpräsidenten in diesen "außergewöhnlich ernsten Zeiten" hält: nichts. Ihre Begründung ist so simpel wie ernüchternd - die aktuelle Situation in der Corona-Krise sei trügerisch. Merkel mahnt: "Wir bewegen uns auf dünnstem Eis."

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Jedoch wird man den Eindruck nicht los, Angela Merkel hätte mehr gewollt, indem man weniger zulässt.
Jedoch wird man den Eindruck nicht los, Angela Merkel hätte mehr gewollt, indem man weniger zulässt.
Foto: Jonas Schmidt

Deutlicher konnte die Ansage kaum sein: "Zu forsch" nennt die Kanzlerin die Umsetzung der beschlossenen Lockerungsmaßnahmen. Angela Merkel macht klar, was sie vom Vorpreschen einzelner Ministerpräsidenten in diesen "außergewöhnlich ernsten Zeiten" hält: nichts. Ihre Begründung ist so simpel wie ernüchternd - die aktuelle Situation in der Corona-Krise sei trügerisch. Merkel mahnt: "Wir bewegen uns auf dünnstem Eis."

Zugleich schwört sie in ihrer Regierungserklärung Bundestagsabgeordnete wie Bürger darauf ein, dass Deutschland zukünftig noch größere finanzielle Lasten zu tragen haben werde - in der EU wie mit Blick auf Hilfen für andere Länder und den afrikanischen Kontinent. Überhaupt ist es eine Rede der unverhohlenen, der harten Wahrheiten. Und man hat den Eindruck: Merkel will es wissen.

Dabei macht die Kanzlerin keinerlei Anstalten, etwas von ihrem Vorwurf der "Öffnungsdiskussionsorgien" zurückzunehmen. Dass sie für diesen Begriff scharf kritisiert wurde, ficht sie offenbar nicht an. Im Gegenteil: Merkel legt nach und bringt zum Ausdruck, dass sie die beschlossenen Lockerungsmaßnahmen im Zweifel für zu weitgehend hält - auch wenn sie die am Mittwoch vergangener Woche getroffenen Beschlüsse mittrage. Von deren teilweiser Auslegung durch die Länder aber distanziert sich die Kanzlerin unüberhörbar - und dabei dürfte sie in erster Linie auch NRW und Ministerpräsident Armin Laschet gemeint haben.

Merkel trägt das alles in der ihr eigenen, nüchternen, ja unprätentiösen, fast wissenschaftlichen Art und Weise vor, die Widerspruch erst gar nicht zu erwarten scheint. Emotional wird sie nur, wo sie das Engagement und die Disziplin der Bürger lobt und wo sie die sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen der selbst auferlegten Restriktionen, die eine "demokratische Zumutung" seien, schonungslos beim Namen nennt. Mit der Formel "Auch mich belastet es" beginnt sie mehrere Sätze nacheinander, um dann aber deutlich zu machen, dass sie diesen Kurs für richtig und für zwingend hält.

Jedoch wird man den Eindruck nicht los, Angela Merkel hätte mehr gewollt, indem man weniger zulässt. Wie vor Wochenfrist in der Pressekonferenz lässt sie auch im Parlament durchblicken, dass zwei oder drei weitere Wochen eines strengen Lockdowns die Weichen hätten grundsätzlich positiver stellen und Gesundheitsschutz und die wirtschaftlich berechtigten Interessen nachhaltiger in Einklang bringen können. Was die Frage aufwirft: Konnte sich die Kanzlerin hier nicht durchsetzen?

Quelle: ots/Westfalen-Blatt