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Politik fürs Schaufenster

Die neue Härte gegen nordafrikanische Flüchtlinge und ihre Heimatländer ist nur ein Herumdoktern an Symptomen, mit dem sich die Politik vor den Kernfragen der Flüchtlingskrise zu drücken versucht. Denn Recht und Ordnung gegen einzelne Flüchtlingsgruppen durchzupeitschen bringt nichts, solange an den Grenzen kein geordnetes Verfahren praktiziert wird.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: U.S. Navy / Public Domain (via Wikimedia Commons)

Die neue Härte gegen nordafrikanische Flüchtlinge und ihre Heimatländer ist nur ein Herumdoktern an Symptomen, mit dem sich die Politik vor den Kernfragen der Flüchtlingskrise zu drücken versucht. Denn Recht und Ordnung gegen einzelne Flüchtlingsgruppen durchzupeitschen bringt nichts, solange an den Grenzen kein geordnetes Verfahren praktiziert wird.

Jetzt machen sie auch im Südwesten auf Recht und Ordnung. Die baden-württembergische Landesregierung will Flüchtlinge aus Nordafrika in den Erstaufnahmestellen belassen, um sie besser im Blick zu haben und schneller abschieben zu können. Ganz abgesehen davon, dass die Kooperation der Herkunftsländer bei den Abschiebungen ungewiss ist: Neu ist die Idee auch nicht. Die "Balkanzentren" in Bayern verfolgen ein ähnliches Ziel. Die Zuwanderung vom Balkan hat sich zwar stark verringert, doch an der Gesamtzahl von mehr als einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015 hat das nichts geändert.

Nach den Vorkommnissen von Köln kommt es beim Wähler gut an, gegen die vermeintliche Problemgruppe der Nordafrikaner vorzugehen. Doch derweil bleibt die Situation an den Grenzen chaotisch. Das besorgt inzwischen auch viele Menschen, die nichts mit der AfD am Hut haben - und es ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Beherzt gegen die Zustände an der Grenze vorzugehen, würde aber schmerzhaftere Entscheidungen erfordern als mit großem Getöse vorgetragene Schaufensterpolitik.

Genau wie der Druck auf Kanzlerin Merkel wächst, so wächst er auch auf die Regierung in Baden-Württemberg. Die AfD steht vor dem Einzug in den Landtag, Grün-Rot droht der Machtverlust. Doch das Bearbeiten von Nebenschauplätzen hilft dagegen nicht. Entscheidend ist in der Debatte mittlerweile nur noch eines: Gelingt es, die Zahl der Flüchtlinge an den Grenzen deutlich zu reduzieren? Wenn das nicht mit den von Merkel favorisierten Mitteln geht, ist eine temporäre Grenzschließung, mit allen negativen Begleiterscheinungen, wohl unumgänglich - ob mit großem Getöse oder schleichend.



Quelle: Schwäbische Zeitung