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Einfach mal Kasse machen

Es ist richtig, der einstige Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel verstößt mit seinem Eintritt in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank nicht gegen das Gesetz. Der Niedersachse, der vielleicht der letzte Parteivorsitzende von Format der vergangenen Jahre war, hat sich an die vorgeschriebene Karenzzeit gehalten, bevor er demnächst auf den lukrativen Posten wechseln wird. Doch politisch wie moralisch ist Gabriels Seitenwechsel ziemlich verheerend. Denn er bedient in beinahe exemplarischer Weise das Vorurteil von den Raffkes in der Politik, die nach der Karriere endlich mal Kasse machen wollen.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Themen.
Sigmar Gabriel
Sigmar Gabriel
Foto: Martin Kraft / CC BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Es ist richtig, der einstige Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel verstößt mit seinem Eintritt in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank nicht gegen das Gesetz. Der Niedersachse, der vielleicht der letzte Parteivorsitzende von Format der vergangenen Jahre war, hat sich an die vorgeschriebene Karenzzeit gehalten, bevor er demnächst auf den lukrativen Posten wechseln wird. Doch politisch wie moralisch ist Gabriels Seitenwechsel ziemlich verheerend. Denn er bedient in beinahe exemplarischer Weise das Vorurteil von den Raffkes in der Politik, die nach der Karriere endlich mal Kasse machen wollen.

Gabriel, der auch ohne den Bankposten nicht zum Sozialfall werden würde, hat seiner Partei und dem Ansehen der politischen Klasse insgesamt einen schlechten Dienst erwiesen. Natürlich denkt in diesem Zusammenhang jeder sofort an Gerhard Schröder. Der Ex-Kanzler bessert seine nicht unbeachtlichen Altersbezüge als Regierungschef durch satte Zuwendungen der russischen Gasindustrie auf. Allerdings auch Schröders Wechsel in die Gasindustrie war seinerzeit legal. Ein Gesetz, dass einem solchen Übergang in die Wirtschaft strengeren Regeln unterwarf, etwa eine Art Abkling- oder Karenzzeit, gab es damals noch nicht. Doch bei aller berechtigter Entrüstung sollte man nicht vergessen, auch Politiker und Politikerinnen sind keine barmherzigen, altruistischen Samariter. Statt den letzten Mantel zu teilen, ergreifen sie häufig die Gelegenheit beim Schopfe, wenn irgendwo so richtig viel Geld verdient werden kann. Darin unterscheiden sie sich freilich kaum von Managern, Fußballprofis, Anwälten - nun ja, von ganz normalen Menschen. Verzicht und Askese sind nicht jedermanns Sache. Vor allem dann nicht, wenn, wie viele glauben, von der Höhe des Bankkontos die Wertschätzung des jeweiligen Menschen abhinge, was falsch ist.

Der unter dem neuen Führungsduo Walter-Borjans/Esken weit nach links gerückten SPD fallen Wechsel von Altvorderen auf lukrative Posten in der Wirtschaft jedenfalls besonders auf die Füße. Noch dazu klebt ihnen der selbsternannte Islam-Kritiker Thilo Sarrazin wie Kaugummi unter den Schuhsohlen. Doch selbst wenn die Fälle Schröder, Gabriel, aber auch andere Wechsel von SPD-Größen aus der Politik in andere Bereiche wie ein Problem der gebeutelten Sozialdemokraten erscheinen, ist dieses Phänomen nicht auf diese Partei beschränkt. Die ehemalige CDU-Staatsministerin im Kanzleramt Hildegard Müller wird bald Präsidentin des mächtigen Automobilverbandes. An der Spitze der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände steht Ex-Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, ebenfalls CDU. Der frühere Außenminister Joschka Fischer berät seit Jahren den Autobauer BMW. Überhaupt werden Grünen-Politiker, die offenbar vom derzeitigen Aufwind ihrer Partei und der Erwartung profitieren, sie würden in absehbarer Zeit in die Regierung kommen, von Wirtschaft und Verbänden gesucht, teilweise sogar hofiert. Dabei gehen Grüne nicht nur, wie man vermuten könnte, in Verbände und Unternehmen, die für Umweltschutz, für Ökoenergie - wie die Ex-Parteichefin Simone Peter - eintreten. Erst jüngst hat der Postdienstleister DHL mit dem grünen Staatssekretär Volker Ratzmann aus Baden-Württemberg einen neuen Cheflobbyisten angeheuert. Nicht überraschend sind dagegen Abgeordnete von der FDP und erst Recht von Linken und von der AfD kaum oder gar nicht für Lobbyposten gefragt. Wechsel in die Wirtschaft haben also immer zwei Seiten. Es muss auch ein Bedarf bei Unternehmen und Verbänden bestehen, solche bestens vernetzten Leute auf die Gehaltsliste zu nehmen.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung