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Ungleichheit in Deutschland: Keine amerikanischen Verhältnisse

Bald sei die Ungleichheit in Deutschland so hoch wie in den USA, heißt es derzeit oft. Doch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt: Wer tut, als herrschten hierzulande amerikanische Verhältnisse, ignoriert die Wirkungen des Sozialstaats auf die Einkommensverteilung.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Lena Eriksson / CC0 via Pixabay

Bald sei die Ungleichheit in Deutschland so hoch wie in den USA, heißt es derzeit oft. Doch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt: Wer tut, als herrschten hierzulande amerikanische Verhältnisse, ignoriert die Wirkungen des Sozialstaats auf die Einkommensverteilung.

In Deutschland liegt der Gini-Koeffizient der Markteinkommen bei 0,50 – in den USA mit 0,51 nur knapp darüber. Der Koeffizient stellt die Ungleichheit der Einkommen innerhalb eines Landes dar: Je näher er am Wert 1 liegt, desto ungleicher sind die Einkommen verteilt, beim Wert 0 verdienen alle das gleiche. Doch darüber, wie viel Geld den Deutschen tatsächlich zur Verfügung steht, sagt dieses Maß wenig aus. Denn der Wert bezieht sich lediglich auf die Verteilung der am Markt erwirtschafteten Einkommen, staatliche Umverteilungsmaßnahmen bleiben außen vor. Berücksichtigt man nun Steuern, Sozialabgaben, Renten und Sozialleistungen, liegt der Gini-Koeffizient in Deutschland bei 0,29. In den USA liegt er mit 0,39 auf einem weit höheren Niveau.

Gerade bei Rentnern zeigt sich, dass die Betrachtung der Markteinkommen in Deutschland wenig sinnvoll ist. Viele deutsche Rentner würden demnach dem unteren Teil der Einkommensverteilung zugeordnet, denn sie beziehen einen Großteil ihres Geldes als beitragsfinanzierte Renten – die nicht als Markteinkommen zählen. Die Markteinkommen deutscher Rentner mögen also tatsächlich niedriger sein als die der US-Amerikaner im gleichen Alter, allerdings vor allem, weil letztere in der Regel länger arbeiten.

Die unterschiedlichen Einkommenskonzepte haben zudem einen erheblichen Einfluss auf die Größe der Mittelschicht: Geht es um die Markteinkommen, beziehen in Deutschland 27 Prozent der Bürger 80 bis 150 Prozent des Medianeinkommens und gehören damit zur Mittelschicht im engen Sinn. In den USA sind es 23 Prozent. Mit Blick auf die Nettoeinkommen zählen dagegen 49 Prozent aller deutschen Haushalte zur Mittelschicht, in den USA sind es 30 Prozent. Für IW-Ökonomin Judith Niehues ist klar: „Um die Einkommensverteilung einzelner Länder zu vergleichen, sollten wir auf die Nettoeinkommen schauen. Denn für die Frage, wo ein Haushalt finanziell steht, ist das relevant, was er nach Abzügen und Transfers zum Leben hat.“



Quelle: IW Köln