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Verbot von Burka und Burkini ist die falsche Debatte

Keine Frage: Als im aufgeklärten Deutschland aufgewachsene Frau - zumal eine, die sich als Feministin begreift - kann man nur gegen die Burka sein. Dagegen, dass sich Frauen, aufgrund welcher Vorschriften auch immer, verstecken müssen vor der Öffentlichkeit, ihr Gesicht, ihre Identität verleugnen müssen. Die Burka ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.

Geschrieben von Sigrun Müller-Gerbes am . Veröffentlicht in Themen.
Burkini
Burkini
Foto: bellmon1 /CC BY-NC 2.0 via Flickr

Keine Frage: Als im aufgeklärten Deutschland aufgewachsene Frau - zumal eine, die sich als Feministin begreift - kann man nur gegen die Burka sein. Dagegen, dass sich Frauen, aufgrund welcher Vorschriften auch immer, verstecken müssen vor der Öffentlichkeit, ihr Gesicht, ihre Identität verleugnen müssen. Die Burka ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.

Trotzdem: Auch eine Feministin kann gegen ein Burka-Verbot sein. Oder gegen ein Verbot von Burkinis, über das in Frankreich gerade vor Gericht entschieden wurde. Und das aus pragmatischen und grundsätzlichen Gründen. Die pragmatischen sind schnell aufgezählt:

- Wer die Burka für ein Zwangsinstrument gegen Frauen hält, kann diesen unterdrückten Frauen schlecht mit staatlichen Zwangsgeldern begegnen - in der irrigen Hoffnung, dass der finanzielle Druck schwerer wiegt als der im Zweifel massivere des Ehemanns oder der Familie.
- Wer will, dass Frauen sich möglichst frei in der Öffentlichkeit bewegen können, sollte nicht das Gegenteil riskieren: Dass sie ganz zu Hause eingesperrt werden.
- Wer aus Sicherheitsgründen für ein Verbot plädiert, der müsste sich schon durch die Wirkungslosigkeit in Frankreich und Belgien eines Besseren belehren lassen, wo Vollverschleierung seit Jahren untersagt ist. In beiden Ländern wird die Sicherheitslage von Jahr zu Jahr schlechter.
- Und wer der Auffassung ist, der Staat solle sich vordringlich um tatsächliche Probleme kümmern und auf Symbolpolitik so weit als möglich verzichten, kann die Debatte angesichts der nicht einmal vierstelligen Zahl von Burka-Trägerinnen in Deutschland nur für überzogen halten.

Viel wichtiger aber wiegt ein grundsätzliches Argument: Integration lässt sich nicht über Verbote und Vorschriften erzwingen.

Die Debatte reiht sich nahtlos ein in die gerade angesagte Abgrenzungsdebatte zwischen "uns" und "denen da": diesen Zuwanderern, die uns hier irgendwie fremd sind. Und denen wir, weil sie schon wegen der schieren Zahl nicht einfach ignoriert werden können, am liebsten mit Befehlen begegnen: Passt Euch an! Benehmt Euch wie wir! Zieht Euch an wie wir! Wenn die Befehle nicht unmittelbar fruchten, ist der Ruf nach Gesetzen nicht weit: Minarette verbieten!

Integrationspflicht! Wohnsitzauflage! Doppelpass verbieten! Burka verbieten! Diese Haltung schiebt das Problem der Integration, das eines der ganzen Gesellschaft ist, einseitig den Migrantinnen und Migranten zu. Eine Gesellschaft, die will, dass islamische Frauen sich nicht mehr in einem Gefängnis aus Stoff verbergen, darf ihnen nicht mit Ordnungsgeld drohen. Sie muss sie ermutigen, das Gefängnis abzuwerfen. Sie muss ihnen Schutz bieten und Perspektiven jenseits dieses Gefängnisses. Und sie muss vor allem eines: mit ihnen sprechen.



Quelle: ots/Neue Westfälische