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Weltärztechef fordert Absage von Parteitagen, pocht auf Corona-Impfpflicht und warnt vor Kita- und Schulöffnungen

Wegen der Corona-Gefahr hat Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery die Absage des für Dezember geplanten CDU-Bundesparteitages gefordert. "Wir müssen unbedingt weiter Abstand zueinander halten, die Hygieneregeln beachten, und Massenevents dürfen auf gar keinen Fall wieder zugelassen werden", sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Natürlich gilt das auch für Parteitage. Die wären riskant und sollten in diesem Jahr abgesagt oder nur online abgehalten werden." Auch eine Öffnung von Fußballstadien, wie sie von einigen Ministerpräsidenten wieder erwogen wird, "wäre verheerend und könnte uns wieder weit zurückwerfen", mahnte Montgomery.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Infektionsschutz für Kleinkinder sei "eine Illusion", so Montgomery, sie könnten sich nicht an die Regeln halten.
Infektionsschutz für Kleinkinder sei "eine Illusion", so Montgomery, sie könnten sich nicht an die Regeln halten.
Foto: StagiaireMGIMO / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Wegen der Corona-Gefahr hat Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery die Absage des für Dezember geplanten CDU-Bundesparteitages gefordert. "Wir müssen unbedingt weiter Abstand zueinander halten, die Hygieneregeln beachten, und Massenevents dürfen auf gar keinen Fall wieder zugelassen werden", sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Natürlich gilt das auch für Parteitage. Die wären riskant und sollten in diesem Jahr abgesagt oder nur online abgehalten werden." Auch eine Öffnung von Fußballstadien, wie sie von einigen Ministerpräsidenten wieder erwogen wird, "wäre verheerend und könnte uns wieder weit zurückwerfen", mahnte Montgomery.

Wegen des Virus hatte die CDU ihren für Ende April geplanten Sonderparteitag zur Wahl einer neuen Parteispitze bereits abgesagt. Nun soll auf dem regulären Parteitag Ende des Jahres ein Nachfolger für Annegret Kramp-Karrenbauer bestimmt werden. Als Termin steht der 3. bis 5. Dezember im Parteikalender.

Die von den Gesundheitsämtern gemeldeten niedrigen Neuinfektionszahlen könnten über das Ausmaß der Gefahr täuschen, sagte der Weltärztechef. "Das heißt nicht, dass nicht weiterhin viele Infektionen im Verborgenen stattfinden." Aus China sei bekannt, dass Menschen auch nach überstandener Covid-19-Erkrankung noch Viren aufweisen und deswegen weiter ansteckend sind. "Bei uns wird das nicht getestet, hier lauert also eine unentdeckte Gefahr", sagte der Mediziner und langjährige Präsident der Bundesärztekammer. Auch durch die Grenzöffnungen und den Tourismus komme wieder ein neues Risiko hinzu, dass Menschen aus anderen Ländern das Virus einschleusen. Zudem gebe es die sogenannten Superspreader-Events, bei denen einige wenige Infizierte auf einen Schlag ganz viele Menschen ansteckten.

"Wir sind noch lange nicht auf der sicheren Seite", warnte Montgomery. "Wenn, wie es jetzt schon mehrfach in Deutschland geschehen ist, ein Mensch 60 oder 80 andere anstecken kann und wir das nicht merken, sind es eine Woche später schon wieder 600 oder 800!" Daher könne eine zweite Welle im Herbst oder Winter nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. "Die Chance, dass sie uns erspart bleibt, ist allerdings in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Wenn wir die Regeln weiter einhalten und Massenveranstaltungen verboten bleiben, bin ich zuversichtlich", ergänzte der Weltärztechef.

Weiterhin bekräftigt Montgomery hat seine Forderung nach einer Corona-Impfpflicht. "Das Virus wird in der mobilen Welt jahrelang immer wieder nach Deutschland zurückgetragen werden. Massenimpfungen sind der einzige Weg, sich dagegen zu wehren. Wenn wir einen oder mehrere sichere und sicher wirksame Seren haben, dann wäre eine Impfpflicht richtig und wichtig", sagte er im Interview.

Montgomery appellierte an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), sich nicht dem Druck von Impfgegnern zu beugen. "Für Impfgegner fehlt mir jedes Verständnis, zumal es in Deutschland eine staatliche Absicherung gegen Impfschäden gibt", sagte der Weltärztechef. "Leider wird die Debatte von Esoterikern und Ideologen angeheizt, die null Verantwortungsbewusstsein zeigen. Impfgegner tragen ihr Selbstbestimmungsrecht wie eine Monstranz durch die Gegend, dabei geht es um einen kleinen Piks, mit dem man sich und andere schützt."

Montgomery verwies auf die Erfolge der Medizingeschichte. "Erst durch verpflichtende Impfungen wurden die Pocken ausgerottet und konnte die Kinderlähmung besiegt werden. Kinder wurden übrigens früher in den Schulen geimpft, da wurde kein Aufhebens drum gemacht, und das war gut so."

Impfen schütze nicht nur den Einzelnen, es gehe um die kollektive Schutzwirkung, sagte der Weltärztechef der NOZ. "Nur wenn wir einen hohen Immunitätsgrad in der Bevölkerung erreichen, sind auch die sicher, die man nicht impfen kann oder bei denen eine Impfung nicht wirkt." Wer gegen eine Impfpflicht demonstriere, "sollte nicht nur an sich selber denken, sondern an die anderen Menschen um einen herum", mahnte Montgomery.

Zum Schluss warnte Montgomery vor einer voreiligen Öffnung von Kitas und Schulen. "Das Ansteckungsrisiko würde durch die völlige Öffnung aller Kitas und Schulen steigen. Solange es keine Impfung und keine Behandlung gegen das Virus gibt, bleibt jedes Zusammentreffen mehrerer Menschen riskant", sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Für maximalen Infektionsschutz müssten die Kinder noch daheimbleiben." Aus psychologischer und pädagogischer Sicht müssten sie hingegen rasch wieder betreut werden, ergänzte er. "Das sind politisch unglaublich schwierige Entscheidungen. Gegenseitige Vorwürfe zu erheben ist deswegen völlig unangebracht."

Infektionsschutz für Kleinkinder sei "eine Illusion", so Montgomery, sie könnten sich nicht an die Regeln halten. Zugleich seien die Folgen für Familien mit Kleinkindern gravierend, vor allem, wenn sie beengt wohnen. "Es gilt also, den Mittelweg zu finden, um so viel Betreuung wie möglich zu gewährleisten", riet der Weltärztechef. Zu regionalen Lösungen gebe es "keine Alternativen".

Quelle: ots/Neue Osnabrücker Zeitung