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WM 2006: Kratzer am Selbstverständnis

Herrlich war sie, die Weltmeisterschaft 2006. Fußball-Deutschland tröstete sich nach dem nicht gewonnenen Titel bei der Heim-WM mit der Tatsache, alle Vorurteile über Deutschland durch völkerverbindende Partys in Stadien und auf Fan-Meilen widerlegt zu haben: Weltoffen, fröhlich, friedlich - diese Attribute standen plötzlich nicht mehr im Widerspruch zum global gängigen Bild vom fleißigen, korrekten und humorlosen Deutschen, der präzise arbeitet und grandios organisiert. "Schland" war cool. Es dürfte wenige Bürger geben, denen diese neue Wahrnehmung nicht auch irgendwie gefallen hat.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Franz aus Saarbrücken / CC BY-SA 2.0 (via Wikimedia Commons)

Herrlich war sie, die Weltmeisterschaft 2006. Fußball-Deutschland tröstete sich nach dem nicht gewonnenen Titel bei der Heim-WM mit der Tatsache, alle Vorurteile über Deutschland durch völkerverbindende Partys in Stadien und auf Fan-Meilen widerlegt zu haben: Weltoffen, fröhlich, friedlich - diese Attribute standen plötzlich nicht mehr im Widerspruch zum global gängigen Bild vom fleißigen, korrekten und humorlosen Deutschen, der präzise arbeitet und grandios organisiert. "Schland" war cool. Es dürfte wenige Bürger geben, denen diese neue Wahrnehmung nicht auch irgendwie gefallen hat.

Doch dieser Tage bröckelt der Lack. Nach dem VW-Skandal, der sogar Zweifel am Gütesiegel "Made in Germany" aufkommen ließ, soll nun also auch die WM 2006 gekauft worden sein. Dabei schien Korruption im Fußball doch bislang vor allem die Sache des großen, über Jahrzehnte undurchschaubaren Weltverbandes Fifa mit ihrem Strippenzieher Sepp Blatter zu sein.

Doch wer eine WM ausrichten wollte, musste sich eben mit Blatters korrupter Fifa und ihren gierigen Funktionären arrangieren. Natürlich wäre der Skandal groß, wenn sich die Behauptungen des "Spiegel" als wahr erweisen würden und auch der DFB mitgeschmiert hätte. Natürlich wäre die Karriere von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach beendet, sollte er von schwarzen Kassen gewusst haben. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass es im "System Fifa" genügt, gute Stadien und ein gutes Konzept ins Feld zu führen. Die ab-struse Entscheidung, die WM 2022 nach Katar in die Wüste zu vergeben, ist der beste Beweis dafür.

All die Skandale müssen aufgeklärt werden, die Fifa muss zerschlagen werden, vielleicht braucht der DFB nun ebenso eine neue Führung wie der VW-Konzern. Und dennoch: Auch die nächste WM in Deutschland wäre wieder grandios. VW baut noch immer gute Autos. Deutschland ist noch immer weltoffen. Wichtig jedoch wäre, sich künftig wieder an Recht und Gesetz zu halten, auch wenn dies andere nicht tun.



Quelle: ots / Schwäbische Zeitung