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Wulff warnt vor Bespitzelungswelle und aufgeweichten Grundrechten

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat angesichts der Regierungskrise in Österreich vor Nachahmern, maßloser Bespitzelung und einer Aufweichung von Grundrechten gewarnt. Auf einer Podiumsdiskussion der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes sagte Wulff, es sei schrecklich, dass es rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ gebe, und erschreckend, dass sie Zulauf erhielten. Aber: "Ich erinnere an Artikel 13 des Grundgesetzes, die Unverletzlichkeit der Wohnung."

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Christian Wulff
Christian Wulff
Foto: Sven Mandel / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat angesichts der Regierungskrise in Österreich vor Nachahmern, maßloser Bespitzelung und einer Aufweichung von Grundrechten gewarnt. Auf einer Podiumsdiskussion der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes sagte Wulff, es sei schrecklich, dass es rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ gebe, und erschreckend, dass sie Zulauf erhielten. Aber: "Ich erinnere an Artikel 13 des Grundgesetzes, die Unverletzlichkeit der Wohnung."

Wenn jemand in der Öffentlichkeit "dummes Zeug" rede und dies mit den heute allgegenwärtigen Handys aufgenommen werde, müsse jeder dazu stehen. "Im Fall Strache reden wir aber über eine systematisch verwanzte private Räumlichkeit mit sechs Kameras und einer fortlaufenden Überwachung von sechs Stunden Dauer." Es habe der Vorsatz bestanden, kompromittierendes Material zu erstellen "wie früher in der Sowjetunion". Dass dies eindeutig illegal sei, dürfe nicht aus dem Blick geraten, auch wenn eine spätere Veröffentlichung unter Umständen trotzdem rechtens sein könne. "Muss ein Prominenter künftig immer damit rechnen, dass seine Ferienwohnung mit Abhörtechnik versehen ist?", fragte Wulff.

Heinz-Christian Strache musste als österreichischer Vizekanzler und FPÖ-Chef zurücktreten, nachdem ein Video bewies, dass er vor der Wahl in einer fingierten Gesprächssituation einer vorgeblich reichen Russin Vorteile als Gegenleistung für Wahlhilfe in Aussicht gestellt hatte. Ohne Frage seien hier Tatsachen von großer Relevanz bekannt geworden, sagte Wulff. Er könne jeden Journalisten verstehen, der solche Informationen veröffentliche. Trotzdem seien im selben Zuge Grundrechte verletzt worden und die Abwägung schwierig. Er hätte eine diskretere Lösung bevorzugt.

Wulff warnte insbesondere davor, dass der Fall Strache Nachahmer animieren könne. "Wer sagt uns, dass nicht alle Welt jetzt mit versteckten Geräten oder seinem Handy versucht, Dinge aufzudecken, die ihm nicht gefallen, oder seinen Gegnern zu schaden", fürchtete Wulff, dass das Beispiel der Bespitzelung im Dienste einer aus eigener Sicht berechtigten Sache Schule machen könne.

Wulff hatte im Jahr 2012 aufgrund politischer Vorwürfe und des Verdachts der Vorteilsnahme vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten müssen, wurde aber später freigesprochen und rehabilitiert. Auf dem Höhepunkt der Affäre wurden persönliche Mailboxnachrichten und ehrverletztende Aussagen über ihn und seine Familie veröffentlicht und hatten sich Journalisten in Mülltonnen vor Wulffs Haus versteckt und Supermarkteinkäufe des Politikers ausgespäht. Der 59-Jährige, der heute wieder als Rechtsanwalt arbeitet, wehrte sich im Anschluss vor Gericht in fast allen Fällen erfolgreich gegen zahlreiche Behauptungen und überschrittene Grenzen der damaligen Berichterstattung.

Die frühere Verfassungsrichterin Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, die ebenfalls an der NOZ-Diskussion am Dienstabend in Osnabrück teilnahm, bestätigte, dass das Video zweifellos illegal entstanden sei. Allerdings verwies die Spezialistin für Öffentliches Recht auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Persönlichkeitsrechte und öffentliche Belange abzuwägen seien und eine Veröffentlichung illegal erworbenen Materials trotzdem rechtens sein könne. Persönlich sehe sie dies im Fall Strache wegen seiner gravierenden Dimension als vermutlich gegeben an, ohne sagen zu wollen, dass ein Gericht zwangsläufig zum selben Schluss kommen müsse.



Quelle: ots/Neue Osnabrücker Zeitung