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Polen: Staatskrise im Herzen Europas

Polen steckt tief in einer Verfassungskrise: Da verweigert ein Präsident gewählten Richtern den Amtseid. Da peitscht die Regierung im Eiltempo ein Gesetz durch das Parlament, dessen erkennbar einziges Ziel es ist, den Verfassungsrichtern ihre Arbeit unmöglich zu machen. Und als das höchste Gericht all dies seinerseits für verfassungswidrig erklärt, wie am Mittwoch geschehen, da weigert sich die Regierung, das Urteil anzuerkennen.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Welt.
Foto: Piotr Drabik / CC BY 2.0 (via Wikimedia Commons)

Polen steckt tief in einer Verfassungskrise: Da verweigert ein Präsident gewählten Richtern den Amtseid. Da peitscht die Regierung im Eiltempo ein Gesetz durch das Parlament, dessen erkennbar einziges Ziel es ist, den Verfassungsrichtern ihre Arbeit unmöglich zu machen. Und als das höchste Gericht all dies seinerseits für verfassungswidrig erklärt, wie am Mittwoch geschehen, da weigert sich die Regierung, das Urteil anzuerkennen.

Manche westliche Beobachter machen es sich in diesen Tagen allerdings etwas zu leicht, indem sie die alleinige Schuld an den Zuständen in Warschau der regierenden PiS-Partei des Rechtspopulisten Jaroslaw Kaczynski zuweisen. Zunächst gilt es deshalb festzuhalten, dass Polen keine Tradition einer bewährten Verfassungsgerichtsbarkeit besitzt wie etwa die Bundesrepublik. Das Tribunal, wie das Gericht in Polen heißt, ist seit jeher in einem hohen Maße politisiert.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich haben auch die Verfassungsrichter in Deutschland und anderen westlichen Demokratien einen politischen Hintergrund. Als Richter jedoch sind sie auf eine andere Rolle festgelegt. In Polen, wo eine einfache Parlamentsmehrheit ausreicht, um in das Tribunal gewählt zu werden, sind die Richter sehr viel stärker parteipolitisch gebunden. Es ist deshalb durchaus nachzuvollziehen, dass die PiS-Regierung eine Blockade ihrer Gesetzesvorhaben befürchtet. An diesem Punkt jedoch muss jedes Verständnis für die neuen Machthaber enden. Denn was Kaczynski und seine Mannschaft getan haben, ist tatsächlich nichts anderes als ein Staatsstreich von oben. Das Verfassungsgericht wurde komplett aus dem Spiel genommen - so wie die staatlichen Medien und der Justiz- und Sicherheitsapparat direkt der Regierung unterstellt wurden. All diese Maßnahmen öffnen dem Machtmissbrauch Tür und Tor.

Am Freitag will die Venedig-Kommission des Europarates zu der Entwicklung in Warschau Stellung beziehen. Wenn stimmt, was bereits durchgesickert ist, dann wird das Expertengremium Polen eine Verfassungskrise attestieren. All das vollzieht sich im Herzen Europas. Dennoch ist in der krisengeschüttelten EU der Ehrgeiz gering, sich mit den antidemokratischen Eskapaden in Warschau intensiv zu beschäftigen. Man kann auch das nachvollziehen, wenn man will, aber es bleibt ein Fehler.



Quelle: ots/Lausitzer Rundschau