Der zweite Betrug? VW-Mitarbeiter erweiterten illegale Abschaltvorrichtung offenbar noch 2015
Die Manipulationen an Dieselmotoren im Volkswagen-Konzern waren offenbar umfangreicher als bisher bekannt. Sie wurden nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung noch vorgenommen, als die kalifornische Umweltbehörde CARB das Wolfsburger Unternehmen bereits seit Monaten wegen deutlich erhöhter Abgaswerte im Visier hatte.
Die Manipulationen an Dieselmotoren im Volkswagen-Konzern waren offenbar umfangreicher als bisher bekannt. Sie wurden nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung noch vorgenommen, als die kalifornische Umweltbehörde CARB das Wolfsburger Unternehmen bereits seit Monaten wegen deutlich erhöhter Abgaswerte im Visier hatte.
VW-Entwickler haben demnach anscheinend noch zum Jahreswechsel 2014/15 die illegale Abschaltvorrichtung unbemerkt von den US-Behörden durch ein Software-Update erweitert. Die Motorsteuerung konnte fortan noch klarer unterscheiden, ob das Auto auf einem Prüfstand getestet wurde oder auf der Straße fuhr. Dafür wurde in die Software eine Funktion aufgenommen, die die Bewegung des Lenkrads erkannte, somit zuverlässiger feststellte, wenn das Auto auf der Straße fuhr, und daraufhin die Abgasreinigung reduzierte.
Mehrere Informatikexperten haben auf Bitten des NDR die Steuerungssoftware des untersuchten US-Passats vor und nach dem Update untersucht und kamen zu dem Schluss, dass in der neuen Version das Merkmal der Lenkwinkelerkennung hinzufügt worden ist. "Im Rahmen des Updates wurde die Software so verfeinert, dass sie noch genauer erkennen kann, ob sie in einer Prüfsituation ist oder nicht", sagt Thorsten Holz, Professor für Systemsicherheit an der Ruhr-Universität Bochum. In der Betrugsfunktion "wurden nicht nur Daten ersetzt. Es wurde ganz bewusst ein weiterer Programmcode hinzugefügt", so der Hamburger Hacker Felix Domke. "Das Auto wird nach dem Update nicht mehr fälschlicherweise im sauberen Prüfstandmodus fahren. Es wird häufiger im schmutzigen Straßenmodus fahren."
Die kalifornische Umweltbehörde hatte Volkswagen im Frühsommer 2014 aufgefordert, im Straßenbetrieb gemessene, zu hohe Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen zu erklären. VW hatte CARB daraufhin im Dezember 2014 einen freiwilligen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeboten, um durch ein Softwareupdate den Ausstoß von Stickoxiden im Straßenbetrieb zu verringern. Ab Ende Dezember 2014 wurden die mehr als 500.000 betroffenen Fahrzeuge in die Werkstätten zurückgerufen. Bei 280.000 Autos wurde nach Angaben von VW das Software-Update bis zum Frühjahr 2015 dann auch tatsächlich durchgeführt.
CARB-Experten hatten bei den ab Mai 2015 vorgenommenen Folgeuntersuchungen zwar festgestellt, dass der Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb durch andere Maßnahmen innerhalb des Softwareupdates verringert wurde. Da die Grenzwerte jedoch weiterhin um das Fünfzehnfache überschritten wurden, intensivierte die Behörde ihre Prüfung und entdeckte nach eigenen Angaben, dass sich in Abhängigkeit von Lenkradbewegung, Geschwindigkeit, Fahrdauer und Luftdruck das Ausmaß der Abgasreinigung veränderte und die Autos die Prüfsituation erkannten. Die Erweiterung der Software um die Erkennung des Lenkwinkels hat somit möglicherweise entscheidend dazu beigetragen, dass CARB die illegale Abschaltvorrichtung schließlich entdeckte.
Volkswagen wollte sich auf Nachfrage nicht im Detail äußern. Ein VW-Sprecher teilte lediglich mit, "dass der gesamte Themenkomplex derzeit intensiv untersucht wird. Vor Abschluss der internen und externen, unabhängigen Untersuchungen können wir hierzu jedoch keine Auskunft geben." Aus Unternehmenskreisen heißt es, die Betrugssoftware sei tatsächlich auch nach der ursprünglichen Programmierung 2006 generell noch weiterentwickelt worden. Dafür verantwortlich sei aber nur ein "kleiner Kreis" von Mitarbeitern, die ohne Wissen der Führungsebene von Volkswagen handelten.