Deutsche Konzerne offenbar von US-Spionage betroffen
Die vom amerikanischen Sicherheitstechnikhersteller Netbotz produzierten und mit möglichen Hintertüren für US-Geheimdienste versehenen Servermonitoring-Systeme sind bis heute in Deutschland im Einsatz.

Die vom amerikanischen Sicherheitstechnikhersteller Netbotz produzierten und mit möglichen Hintertüren für US-Geheimdienste versehenen Servermonitoring-Systeme sind bis heute in Deutschland im Einsatz.
Das ergaben Recherchen des vom MDR produzierten ARD-Magazins
"FAKT". Demnach bestätigten unter
anderem der Antivirensoftware-Hersteller AVIRA und der Drucker- und
Kopiererhersteller Ricoh-Deutschland den fortdauernden Einsatz dieser
Netbotz-Geräte.
"FAKT" liegen Belege vor, dass diese Geräte an Dutzende
sicherheitsrelevante Firmen ausgeliefert worden sind. Darunter
befinden sich Konzerne wie Jenoptik, MTU und OHB (Galileo Programm).
Betroffen sind außerdem Großkonzerne wie Volkswagen, die Deutsche
Bank, die Telekom und Infineon sowie einer der größten Anbieter von
Finanz- und Businesssoftware Sungard, die Groß-Kanzlei White & Case,
welche die Bundesregierung berät und das Bayerische
Landeskriminalamt.
Netbotz-Geräte sind laut Experten des Chaos Computer Clubs (CCC) eine
Art Hintertür zum Eindringen in Serversysteme. Das legt auch eine
technische Analyse des BND nahe. Der Rechtsexperte Nikolaos Gazeas
sieht nach den aktuellen "FAKT"-Recherchen den Generalbundesanwalt in
der Pflicht, Ermittlungen aufzunehmen: "Der Generalbundesanwalt ist
nicht nur angehalten, sondern auch verpflichtet hier wieder tätig zu
werden. Dem Generalbundesanwalt bleibt nichts anderes übrig, als
mindestens einen Prüfvorgang neu zu eröffnen und diesem Verdacht
nachzugehen. Würde der Generalbundesanwalt nach dem 'FAKT'-Bericht
weiterhin untätig bleiben, dann grenzt dies an Strafvereitelung im
Amt."
Außerdem empfiehlt er den betroffenen Firmen Strafanzeige zu stellen.
Auch Zivilklagen hält der Experte für möglich.
Das ARD-Magazin "FAKT" hatte bereits im September aufgedeckt, dass
die vom US-Sicherheitstechnikhersteller Netbotz in Umlauf gebrachten
Servermonitoring-Systeme Hintertüren für US-Geheimdienste beinhalten.
Dies belegen sowohl ein als geheim klassifizierter Bericht des
Bundesnachrichtendienstes (BND) von 2005 sowie aktuelle Recherchen
des Magazins. Demnach hat eine Quelle dem BND bereits 2004 auf diesen
Vorgang hingewiesen. Eine technische Überprüfung eines der Geräte
durch den BND ergab, dass das System verdeckt eine Verbindung mit
einem amerikanischen Militärserver herstellen wollte.
Der BND beobachtete bereits 2005, dass Netbotz massiv an Kunden wie
Regierungsstellen, z.B. das Auswärtige Amt und Kunden im Bereich der
Hightech- und Rüstungsindustrie, herantrat. Im Bereich der deutschen
Hightech-Industrie wurden Überwachungssysteme verkauft. Dabei bot
Netbotz die Überwachungslösungen offenkundig unter Wert an.
Nach "FAKT"-Recherchen gelangten diese Informationen nicht vom BND an
die zuständige Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV). Dazu der Obmann von Bündnis 90/Grüne im NSA-
Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz: "Das ist ein starkes
Versäumnis derjenigen, die von einem solchen Vorgang Kenntnis hatten.
Man muss das weitergeben, man muss der Privatwirtschaft aber auch den
öffentlichen Stellen die Möglichkeit geben, sich zu schützen. Dass
ist hier offensichtlich nicht erfolgt."
Der heutige Besitzer von Netbotz, der französische Konzern Schneider
Electric, erklärte, er hätte die Geräte überprüft, könnte die
Vorwürfe aber nicht nachvollziehen. Unabhängige Dritte waren bei der
Prüfung nicht involviert. Das Büro des französischen
Ministerpräsidenten erklärte auf Anfrage: "Der Sachverhalt unterliegt
der höchsten nationalen Geheimhaltungsstufe."