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Deutsche Konzerne offenbar von US-Spionage betroffen

Die vom amerikanischen Sicherheitstechnikhersteller Netbotz produzierten und mit möglichen Hintertüren für US-Geheimdienste versehenen Servermonitoring-Systeme sind bis heute in Deutschland im Einsatz.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Foto: Werner Moser / CC0 via Pixabay

Die vom amerikanischen Sicherheitstechnikhersteller Netbotz produzierten und mit möglichen Hintertüren für US-Geheimdienste versehenen Servermonitoring-Systeme sind bis heute in Deutschland im Einsatz.

Das ergaben Recherchen des vom MDR produzierten ARD-Magazins "FAKT". Demnach bestätigten unter anderem der Antivirensoftware-Hersteller AVIRA und der Drucker- und Kopiererhersteller Ricoh-Deutschland den fortdauernden Einsatz dieser Netbotz-Geräte.

"FAKT" liegen Belege vor, dass diese Geräte an Dutzende sicherheitsrelevante Firmen ausgeliefert worden sind. Darunter befinden sich Konzerne wie Jenoptik, MTU und OHB (Galileo Programm). Betroffen sind außerdem Großkonzerne wie Volkswagen, die Deutsche Bank, die Telekom und Infineon sowie einer der größten Anbieter von Finanz- und Businesssoftware Sungard, die Groß-Kanzlei White & Case, welche die Bundesregierung berät und das Bayerische Landeskriminalamt.

Netbotz-Geräte sind laut Experten des Chaos Computer Clubs (CCC) eine Art Hintertür zum Eindringen in Serversysteme. Das legt auch eine technische Analyse des BND nahe. Der Rechtsexperte Nikolaos Gazeas sieht nach den aktuellen "FAKT"-Recherchen den Generalbundesanwalt in der Pflicht, Ermittlungen aufzunehmen: "Der Generalbundesanwalt ist nicht nur angehalten, sondern auch verpflichtet hier wieder tätig zu werden. Dem Generalbundesanwalt bleibt nichts anderes übrig, als mindestens einen Prüfvorgang neu zu eröffnen und diesem Verdacht nachzugehen. Würde der Generalbundesanwalt nach dem 'FAKT'-Bericht weiterhin untätig bleiben, dann grenzt dies an Strafvereitelung im Amt."

Außerdem empfiehlt er den betroffenen Firmen Strafanzeige zu stellen. Auch Zivilklagen hält der Experte für möglich.

Das ARD-Magazin "FAKT" hatte bereits im September aufgedeckt, dass die vom US-Sicherheitstechnikhersteller Netbotz in Umlauf gebrachten Servermonitoring-Systeme Hintertüren für US-Geheimdienste beinhalten. Dies belegen sowohl ein als geheim klassifizierter Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) von 2005 sowie aktuelle Recherchen des Magazins. Demnach hat eine Quelle dem BND bereits 2004 auf diesen Vorgang hingewiesen. Eine technische Überprüfung eines der Geräte durch den BND ergab, dass das System verdeckt eine Verbindung mit einem amerikanischen Militärserver herstellen wollte.

Der BND beobachtete bereits 2005, dass Netbotz massiv an Kunden wie Regierungsstellen, z.B. das Auswärtige Amt und Kunden im Bereich der Hightech- und Rüstungsindustrie, herantrat. Im Bereich der deutschen Hightech-Industrie wurden Überwachungssysteme verkauft. Dabei bot Netbotz die Überwachungslösungen offenkundig unter Wert an.

Nach "FAKT"-Recherchen gelangten diese Informationen nicht vom BND an die zuständige Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Dazu der Obmann von Bündnis 90/Grüne im NSA- Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz: "Das ist ein starkes Versäumnis derjenigen, die von einem solchen Vorgang Kenntnis hatten. Man muss das weitergeben, man muss der Privatwirtschaft aber auch den öffentlichen Stellen die Möglichkeit geben, sich zu schützen. Dass ist hier offensichtlich nicht erfolgt."

Der heutige Besitzer von Netbotz, der französische Konzern Schneider Electric, erklärte, er hätte die Geräte überprüft, könnte die Vorwürfe aber nicht nachvollziehen. Unabhängige Dritte waren bei der Prüfung nicht involviert. Das Büro des französischen Ministerpräsidenten erklärte auf Anfrage: "Der Sachverhalt unterliegt der höchsten nationalen Geheimhaltungsstufe."



Quelle: MDR