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Die Einsätze steigen

Die Einsätze der Bankenaufseher in der Coronakrise erhöhen sich zusehends: Erst erlauben sie den Großbanken Eurolands, für schlechte Zeiten angelegte Kapitalpuffer anzugreifen, dann zeigen sie sich mit Blick auf Bilanzvorschriften zur Risikovorsorge sehr beweglich, inzwischen steht mit dem Abschluss der Kapitalregeln von Basel III nicht weniger als das Finale des zentralen Reformwerks infolge der Finanzkrise in Frage. Dass das damals in Bewegung versetzte Pendel der Reregulierung zurückzuschwenken beginnt, wurde erstmals im Dezember ruchbar, als Europas Aufseher ihre Anforderungen an die Qualität des Eigenkapitals herunterschraubten. Nun gibt ihm die Coronakrise kräftig Schwung - glücklicherweise hat die Bankenaufsicht, nachdem sie einen guten Teil zur Finanzkrise beigetragen hatte, in den vergangenen Jahren wider die Bankenlobby auf immer dickeren Eigenkapitaldecken beharrt. Von diesen können die Institute vorerst zehren.

Geschrieben von Bernd Neubacher am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Eskaliert die Coronakrise aber weiter wie bisher, wird es bei den jüngsten Lockerungen kaum bleiben.
Eskaliert die Coronakrise aber weiter wie bisher, wird es bei den jüngsten Lockerungen kaum bleiben.
Foto: Paul Fiedler

Die Einsätze der Bankenaufseher in der Coronakrise erhöhen sich zusehends: Erst erlauben sie den Großbanken Eurolands, für schlechte Zeiten angelegte Kapitalpuffer anzugreifen, dann zeigen sie sich mit Blick auf Bilanzvorschriften zur Risikovorsorge sehr beweglich, inzwischen steht mit dem Abschluss der Kapitalregeln von Basel III nicht weniger als das Finale des zentralen Reformwerks infolge der Finanzkrise in Frage. Dass das damals in Bewegung versetzte Pendel der Reregulierung zurückzuschwenken beginnt, wurde erstmals im Dezember ruchbar, als Europas Aufseher ihre Anforderungen an die Qualität des Eigenkapitals herunterschraubten. Nun gibt ihm die Coronakrise kräftig Schwung - glücklicherweise hat die Bankenaufsicht, nachdem sie einen guten Teil zur Finanzkrise beigetragen hatte, in den vergangenen Jahren wider die Bankenlobby auf immer dickeren Eigenkapitaldecken beharrt. Von diesen können die Institute vorerst zehren.

Eskaliert die Coronakrise aber weiter wie bisher, wird es bei den jüngsten Lockerungen kaum bleiben. Ein Aufschub oder eine Verwässerung künftiger Baseler Eigenkapitalregeln wirkt vor allem langfristig. Schlagen die beispiellosen fiskalischen Hilfen nicht binnen weniger Wochen ein, müssen jedoch kurzfristige Maßnahmen her, soll ein Ausfall von Schuldnern im großen Stil nicht bald Banken auf breiter Front destabilisieren. Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich eher eine Frage von Tagen anstatt von Wochen, bis man die internationalen Regeln zur Bildung von Risikovorsorge nicht flexibilisiert, sondern schlicht ausgesetzt, solange das Schlimmste in der Coronakrise nicht überstanden ist.

Der entsprechende Bilanzstandard IFRS 9 stand schon vor Einführung Anfang 2018 im starken Verdacht, mit seinen rigorosen Vorgaben für den Fall der Erhöhung eines Kreditrisikos in einem Konjunkturabschwung als Brandbeschleuniger in den Bilanzen und letztlich in der Realwirtschaft zu wirken - wo Aufseher mit antizyklischen Kapitalpuffern hantieren, hat der internationale Bilanzrat IASB offenkundig einen prozyklisch wirkenden Standard in die Welt gesetzt, ohne freilich für Fälle wie den einer Pandemie vorzusorgen. Wohl dem, der in diesen Tagen nicht die auf maximale Transparenz getrimmten internationalen Regeln einsetzt, sondern wie die allermeisten deutschen Institute nach Handelsgesetzbuch bilanziert und stille Reserven hat bilden können. Sie dürften bitter nötig sein - wie nach der Krise eine längere Debatte über die Anforderungen an internationale Bilanzregeln.

Quelle: ots/Börsen-Zeitung