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Elektronische Gesundheitskarte: Gesetz schafft Goldgräberstimmung in Medizinindustrie

Hamburg (ots) - Kurz vor der Eröffnung der Medizin-IT-Messe conhIT am Dienstag in Berlin fordert die Biotechnologie-Industrie Anpassungen des Entwurfs zum E-Health-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Sie will die künftig auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Patientendaten für ihre Geschäfte nutzen.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Foto: blickpixel / pixabay (CC)

Hamburg (ots) - Kurz vor der Eröffnung der Medizin-IT-Messe conhIT am Dienstag in Berlin fordert die Biotechnologie-Industrie Anpassungen des Entwurfs zum E-Health-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Sie will die künftig auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Patientendaten für ihre Geschäfte nutzen.

"Die erste Katze kommt nun aus dem Sack", sagte Dr. Silke Lüder, Sprecherin der Aktion "Stoppt die e-Card", am Freitag auf einem Treffen der bundesweiten Aktion in Hamburg. Die zahlreichen Teilnehmer der Veranstaltung - beteiligte Verbände und Organisationen, Patienten, Ärzte, Rechtsanwälte, Datenschützer und IT-Experten - reagierten empört auf die Forderung der milliardenschweren Biotech-Branche.

"Seit vielen Jahren warnen wir vor der Gefahr, dass Medizindaten ein Geschäftsfeld werden", so Lüder weiter. "Wir sehen jetzt, dass das von Minister Gröhe angekündigte Gesetz genau diese Begehrlichkeiten weckt. Während der Gesetzentwurf für Ärzte und Patienten überwiegend finanzielle Strafen und den Zwang zum Anschluss an eine zentrale Telematik-Infrastruktur bereithält, hat die Medizinindustrie guten Grund, sich auf lukrative Geschäfte mit Patientendaten zu freuen."

Auch die angekündigten Vorteile des Notfalldatensatzes auf der eGK wurden entzaubert. "Zum einen ist der Notfalldatensatz nur in Deutschland nutzbar", erläuterte der Berliner Gynäkologe Dr. Klaus Günterberg. Eine deutlich bessere Alternative sei der Europäische Notfallausweis auf Papier in neun Sprachen. Zum anderen sei der e-Notfalldatensatz im Notfall kaum zu gebrauchen: "Welcher Notarzt hat die Möglichkeit und Zeit, zunächst auf dem Kartenchip der eGK nach eventuell vorhandenen Daten und dann etwa noch nach einer Patientenverfügung im Haus eines lebensbedrohlich Erkrankten zu suchen?" Günterberg kritisierte zudem scharf die milliardenschwere Geldverschwendung dieses Projekts: "Diese Gelder werden dringend für gute Medizin gebraucht."

Gabi Thiess, Patientensprecherin der Aktion "Stoppt die e-Card", berichtete vom kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG). Das Gericht habe darin das Foto auf der eGK für rechtens erklärt und stelle in seiner Begründung den Nutzen der Allgemeinheit vor das Recht des Einzelnen. Mit keinem Wort aber sei das BSG auf die unsichere Telematik-Infrastruktur eingegangen. Thiess: "Eine zentral verwaltete Infrastruktur kann nicht sicher sein. Weder vor dem BSG noch in den Vorinstanzen kam es aber zu einer Beweisaufnahme."

Die beim Treffen anwesenden IT-Sicherheitsexperten und Informatiker betonten erneut, dass im eGK-Projekt dezentrale Speicherung und sichere Verschlüsselung der Daten sowie die Anonymisierung der Patienten ein Irrglaube seien. Zudem könnten die Metadaten genutzt werden, um weitere Informationen zu generieren. Letztlich kamen die Vertreter der an der Aktion beteiligten Verbände zu dem Schluss: "Das E-Health-Gesetz von Minister Gröhe gehört auf den Müllhaufen der Gesundheitspolitik."



Quelle: Aktion "Stoppt die e-Card"