Gewinnmargen der Automobilzulieferer weiter auf Rekordniveau
Mit einem Rekordwert von 7,4 Prozent EBIT-Marge haben die weltweiten Automobilzulieferer 2015 erneut ein sehr gutes Jahr erlebt. Gleichzeitig hat aber die Volatilität in der Branche erheblich zugenommen und sich das Umsatzwachstum deutlich verlangsamt.
Mit einem Rekordwert von 7,4 Prozent EBIT-Marge haben die weltweiten Automobilzulieferer 2015 erneut ein sehr gutes Jahr erlebt. Gleichzeitig hat aber die Volatilität in der Branche erheblich zugenommen und sich das Umsatzwachstum deutlich verlangsamt.
Für 2016
steht neben einer möglichen Abkühlung des Marktes vor allem der sich
abzeichnende Umbruch der Branche auf der Agenda der
Zuliefererunternehmen. Das sind die zentralen Ergebnisse der neuen
"Global Automotive Supplier Study 2016" von Roland Berger und Lazard.
Im Rahmen der Studie wurden Kennzahlen von über 600 internationalen
Zulieferern analysiert, um den aktuellen Zustand sowie Trends und
Herausforderungen der Branche zu beurteilen. Der Aufwärtstrend, den
die Zulieferindustrie seit 2010 ununterbrochen verzeichnete, ist
demnach ins Stocken geraten. Das Umsatzwachstum ist so niedrig wie
seit sieben Jahren nicht mehr, und in mehreren Produktsegmenten sind
die Gewinnmargen sogar leicht unter den Wert von 2014 gefallen.
"Wenn man sich die Rekordgewinne 2015 ansieht, erscheint die Lage der
internationalen Automobilzulieferer auf den ersten Blick sehr gut",
sagt Felix Mogge, Partner bei Roland Berger. "Doch das Umsatzwachstum
in einem zunehmend volatileren Marktumfeld ist tendenziell
rückläufig, und bereits in naher Zukunft steht die Branche vor
revolutionären Veränderungen bei Technologien und neuen
Mobilitätskonzepten."
Weltweite Fahrzeugproduktion wächst nur mäßig
Laut der Studie von Roland Berger und Lazard wird die globale
Fahrzeugproduktion 2016 und darüber hinaus mit rund zwei Prozent
jährlich nur mäßig zulegen. "Um ihre Margen zu stabilisieren oder
sogar weiter zu verbessern, müssen die Zulieferer auf andere Faktoren
setzen", meint Christof Söndermann, Director bei Lazard. "Und sie
müssen sich auf plötzliche makroökonomische Turbulenzen einstellen,
die zu einem kurzfristigen Nachfragerückgang führen können." In dem
stagnierenden chinesischen Markt gehören zweistellige Wachstumsraten
wohl der Vergangenheit an. Außerdem ist eine kurzfristige
Markterholung in Brasilien und Russland mehr als fraglich - zugleich
schafft der Brexit neue Unsicherheiten in Europa.
Branche steht vor radikalem Wandel
"Die aktuellen Entwicklungen zeigen sehr deutlich, dass die globale
Automobilindustrie vor dem größten Umbruch ihrer Geschichte steht",
sagt Söndermann. Disruptive technologische Trends und völlig neue
Geschäftsmodelle für die Automobilnutzung versprechen den Zulieferern
in den nächsten zehn Jahren sicherlich gute Chancen - doch es besteht
auch enorme Unsicherheit, wann und wo genau sich diese Chancen
ergeben werden. Das Marktvolumen für Fahrzeugkomponenten wird der
Studie zufolge von rund 700 Milliarden Euro 2015 auf über 850
Milliarden Euro 2025 steigen. Dabei ist jedoch mit deutlichen
Gewinnverlagerungen zwischen den Segmenten und teilweise auch auf
neue Anbieter zu rechnen.
Im Bereich der Antriebstechnik nimmt die Entwicklung der
Elektromobilität weiter Fahrt auf. Technische Hürden bestehen zwar
weiterhin und ein überzeugendes Konzept für den Endverbraucher ist
noch lange nicht in Sicht. Doch strengere Abgasvorschriften (supra-)
nationaler und lokaler Behörden werden in den nächsten Jahren
vermutlich für den nötigen Auftrieb sorgen. "Wir gehen davon aus,
dass der Markt für Elektrofahrzeuge in den nächsten zehn Jahren um
das Sieben- bis Zehnfache zulegen wird", erklärt Mogge. "Den
Zulieferern für Elektroantriebe bietet sich dadurch ein
beträchtliches Wachstumspotenzial, wohingegen der herkömmliche
Verbrennungsmotor mehr und mehr zu einer 'Commodity' wird."
Zulieferer von Fahrassistenzsystemen und automatisierten
Fahrfunktionen befinden sich in einem Markt, der um das Fünffache
wachsen und bis 2025 ein globales Volumen von fast 30 Milliarden Euro
erreichen dürfte, der allerdings auch durch härteren Wettbewerb
gekennzeichnet ist, unter anderem durch die großen Technologiefirmen.
Zunehmender Druck und Komplexität bei Anbietern von Antriebssystemen
Zunehmende Komplexität und steigende Kosten bei den klassischen
Antriebstechnologien sowie die nach wie vor verhaltene
Marktentwicklung der Elektromobilität haben dazu geführt, dass die
EBIT-Margen bei den Anbietern von Antriebssystemen zuletzt auf 6,9
Prozent und damit unter den Branchendurchschnitt gefallen sind.
Dagegen haben Chassis-Zulieferer von der steigenden Nachfrage nach
Fahrassistenzsystemen und automatischen Fahrfunktionen profitiert.
Mit einer EBIT-Marge von 7,7 Prozent schneiden sie deutlich besser ab
als andere Produktsegmente - nur die Reifenhersteller verzeichnen
höhere Margen.
Neben deutlichen Unterschieden zwischen den Produktsegmenten bestehen
auch große regionale Differenzen. Während Zulieferer aus Europa in
vielen Branchensegmenten weiterhin von ihrer Technologieführerschaft
profitieren, kämpfen chinesische Firmen in den vergangenen Jahren mit
sinkenden Margen, weil sich der Wettbewerb in ihrem Heimatmarkt
zunehmend verschärft. Unabhängig von Produktschwerpunkt oder Region
ist Innovation ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, aber nicht
zwangsläufig der einzige. "Im Schnitt verbuchen Unternehmen, die auf
Produktinnovation setzen, eine um rund zwei Prozent höhere
Profitabilität als die Prozessspezialisten", stellt Thomas Schlick,
Partner bei Roland Berger, fest. Trotzdem sind die Margen der
leistungsstärksten Prozessspezialisten mit denen führender
Produktinnovatoren vergleichbar.
Portfoliomanagement gewinnt Bedeutung
Um in dem volatileren und sich schnell wandelnden Geschäftsumfeld
erfolgreich zu sein, müssen Zulieferer ihre Flexibilität und
Anpassungsfähigkeit steigern. "Es reicht nicht mehr, sich nur auf
organisches Wachstum in traditionellen Feldern zu konzentrieren",
sagt Söndermann. "Denn neue Geschäftsfelder öffnen sich vor allem im
Bereich neuer Technologien. Hier müssen sich die Zulieferer auf
stärkere Konkurrenz durch neue Anbieter von außerhalb der Branche
gefasst machen." Deshalb wird aktives Portfoliomanagement weiter an
Bedeutung gewinnen, während die Zulieferer ihre Kernkompetenzen
überprüfen und anpassen müssen, um neue Technologien zu erschließen.
Doch intensiver Wettbewerb um attraktive Übernahmeziele sowie hohe
Kaufpreise machen Wachstum durch Zukäufe schwierig. "Es kommt darauf
an, weit über die nächste Fahrzeuggeneration hinaus zu denken,
Szenarien zu planen und die eigene Produktentwicklung innovativer zu
gestalten", sagt Roland Berger-Experte Schlick.