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Roter Hüter der schwarzen Null

Auch Bundeskassenwart Olaf Scholz verfährt offenbar nach dem Motto: Der Finanzminister, der populär sein möchte, hat seinen Beruf verfehlt. Der einstige Erste Bürgermeister Hamburgs ist zwar nicht so knurrig wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble, doch in der Sache genauso hart. Scholz gibt in Berlin sozusagen den roten Hüter der schwarzen Null. Und weil Sozialdemokraten immer noch mit dem Vorurteil leben müssen, sie könnten nicht mit Geld umgehen, bereitet er das Volk so langsam darauf vor, dass die fetten Jahre zu Ende gehen.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Olaf Scholz
Olaf Scholz
Foto: OSCE Parliamentary Assembly / CC BY-SA 2.0 (via Flickr)

Auch Bundeskassenwart Olaf Scholz verfährt offenbar nach dem Motto: Der Finanzminister, der populär sein möchte, hat seinen Beruf verfehlt. Der einstige Erste Bürgermeister Hamburgs ist zwar nicht so knurrig wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble, doch in der Sache genauso hart. Scholz gibt in Berlin sozusagen den roten Hüter der schwarzen Null. Und weil Sozialdemokraten immer noch mit dem Vorurteil leben müssen, sie könnten nicht mit Geld umgehen, bereitet er das Volk so langsam darauf vor, dass die fetten Jahre zu Ende gehen.

Die Ausgaben des Bundes werden mittelfristig - wegen der schwächeren Konjunktur und anderer Risiken - nicht mehr so kräftig zulegen können wie in den Jahren zuvor. Die Kunst des Finanzministers besteht nun darin, den Ausgabenanstieg zu bremsen, jedoch dabei nicht in einen Abschwung hineinzusparen. Mehr Geld ausgeben kann jeder. Kluge Prioritäten für künftiges Wachstum zu setzen, lautet die Herausforderung. Dass nach der Verkündung von Scholz' Haushaltszahlen für das kommende Jahr sowie des Finanzplans bis 2023 viele Kabinettskollegen, die Opposition, Verbände und Interessenvertreter aufschreien, gehört zum üblichen politischen Spiel. Ein Finanzminister kann schon von der Natur seines Amtes her nicht jedermanns Liebling sein. Auffällig jedoch ist, dass der Sozialdemokrat die Ressorts der Union härter rannimmt als die der eigenen Parteifreunde. Für die unionsgeführten Ministerien der Verteidigung, Entwicklungshilfe oder Verkehr etwa soll es zwar nominal jeweils mehr Geld geben, doch die Wünsche - und auch die internationalen Zwänge, etwa in der Nato - sind bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen weit größer. Ähnlich ergeht es Entwicklungsminister Gerd Müller oder Verkehrsminister Andreas Scheuer, beide von der CSU. Auf der anderen Seite sollen die Sozialausgaben kräftig zunehmen. Die Marke von 200 Milliarden Euro kommt in Sicht, die der Bund jährlich zur Rente zuschießt, für Familienförderung, Kitas und anderes mehr überweist. Und dabei ist das milliardenschwere SPD-Lieblingsprojekt, die Grund- oder auch "Respektrente", noch nicht einmal enthalten. Wesentlich weniger - nämlich nur rund 40 Milliarden Euro - sollen dagegen in die Infrastruktur, in Straßen, Schienen, schnelles Internet, Digitalisierung, Wohnungsbau oder Forschung und Entwicklung investiert werden. Völlig unterbelichtet ist zudem die Förderung der ländlichen Räume. Dem kräftigen Aufwuchs im Sozialbereich steht ein vergleichsweise dürftiger Zuwachs bei den Investitionen gegenüber. Das ist kein gutes, kein nachhaltiges Verhältnis. Die Investitionsquote des Bundes sinkt bis 2023 sogar ab. Die schwarz-rote GroKo setzt zu viel auf Konsum, vor allem der älteren Generationen, während sie die Investitionen auf Sparflamme hält. Damit wird jedoch Wohlstand in der Zukunft verspielt. Schüler und Studenten demonstrieren freitags für mehr Klimaschutz - zu Recht. Die jungen Leute könnten ebenso gut für mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen auf die Straße gehen. Beim - verständlichen - Streit um den Haushalt sollte freilich nicht übersehen werden, dass im Scholz-Paket für die nächsten Jahre auch steuerliche Entlastungen von rund 25 Milliarden Euro stecken. Den Löwenanteil echter Verbesserung bringt die Abschaffung des Soli für rund 90 Prozent der Einkommenssteuerzahler. Auch ist es aller Ehren wert, dass sich Scholz, anders als seine Vorgänger, daran macht, die sogenannte kalte Progression auszugleichen, die Lohnzuwächse kräftig auffrisst. Freilich sind auch dies keine "Steuergeschenke", wie manche vorschnell meinen, sondern die Bürger können etwas mehr von dem in der Tasche behalten, was sie zuvor erarbeitet haben.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung