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Skandal um Möbelkonzern Steinhoff: Interne E-Mails belasten deutsche Manager

Führende Mitarbeiter des Möbelkonzerns Steinhoff könnten wesentlich länger Bilanzen manipuliert haben als bislang bekannt. Im vergangenen Dezember wurde das Unternehmen von einer mutmaßlichen Bilanz-Fälschung erschüttert, der Aktienkurs brach ein.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Foto: NordWood Themes / CC0 via Unsplash

Führende Mitarbeiter des Möbelkonzerns Steinhoff könnten wesentlich länger Bilanzen manipuliert haben als bislang bekannt. Im vergangenen Dezember wurde das Unternehmen von einer mutmaßlichen Bilanz-Fälschung erschüttert, der Aktienkurs brach ein.

E-Mails, die NDR und SZ einsehen konnten, zeigen nun erstmals im Detail, dass womöglich hochrangige deutsche Steinhoff-Manager an der Manipulation von Konzernzahlen beteiligt waren, die die Steinhoff-Gruppe Ende des vergangenen Jahres an den Rand des Ruins trieben. Die E-Mails deuten auch darauf hin, dass die Manipulationen noch mehr Geschäftsjahre betreffen könnten als bislang von Steinhoff bekannt gegeben.

Konkret geht es um einen E-Mail-Wechsel aus dem Sommer 2014. In den E-Mails berät sich Markus Jooste – der Südafrikaner war von 2000 bis 2017 Vorstandschef des Möbelherstellers - mit einem amtierenden und einem ehemaligen Steinhoff-Manager aus Deutschland über die Erstellung der Konzernbilanz für das Jahr 2014. Das Gespräch erweckt den Anschein, dass die Manager auch solche Positionen verbuchen wollen, die nicht die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Konzerns widerspiegeln. So erklärt Markus Jooste in einer Mail etwa: „Ich habe jetzt alle Zahlen der Gruppe geprüft und brauche ein paar zusätzliche Einträge, um die abschließende Konsolidierung auszubalancieren. Wir haben uns entschlossen, in den Büchern [einer Tochtergesellschaft] eine Wertminderung vorzunehmen, damit es für alle Investoren gut aussieht.“

An anderer Stelle bittet Jooste einen Manager darum, bei einer Unternehmenstochter „eine zusätzliche Einnahme von 100 Mio. Euro (…) anfallen zu lassen“, um so den Gewinn „unseren Plänen/Prognosen“ anzupassen. Ein damals bereits aus dem Konzern ausgeschiedener Steinhoff-Manager, der aber offenbar weiterhin mit der Bilanzerstellung befasst gewesen ist, antwortet Jooste: „Du wirst dich an die Bilanzen erinnern, die wir in den vergangenen Jahren nach oben gedrückt haben.“ Zu den Einwänden eines Kollegen erklärt er: „Ich kann [Name des Managers]s Sorge nachvollziehen, wie das alles wieder ausgemerzt werden soll.“

Nachdem Jooste im Dezember als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten war, zog die Steinhoff-Gruppe die Jahresabschlüsse von 2016 und 2015 offiziell zurück. Die E-Mails rücken auch frühere Steinhoff-Bilanzen in ein kritisches Licht. In einer Mail erklärt der damalige Finanzchef für Europa: „Wir haben in 2013 170 Millionen [Währungseffekte] verbucht, um auf ein Nachsteuer-Ergebnis von 560 Millionen Euro zu gelangen“, und weiter: „In diesem Jahr [gemeint ist 2014] (…) fügen wir 90 Millionen aus Zinszahlungen (…) und 103 Millionen Euro aus Währungseffekten (…) hinzu um auf ein Nachsteuer-Ergebnis von 580 Millionen Euro zu kommen.“ In den E-Mails werden auch Bilanzpositionen aus dem Geschäftsjahr 2011 genannt, für die „keine Dokumentation, keine Sicherheiten“ bestünden. An anderer Stelle wird darüber diskutiert, einen „Marken/Immobilien-Deal auszuarbeiten und für die passenden Werte zu sorgen“. Weiter erklärt Markus Jooste: „Dir wird klar sein, dass wir eine starke Basis hinter uns brauchen, um alle Einträge zu machen, die wir zum Bereinigen der Vergangenheit planen“. Die Mails liefern zudem Hinweise darauf, dass neben dem Geschäftsführer und den beiden deutschen Managern auch weitere Steinhoff-Berater von den Vorgängen bei Steinhoff wussten.

Im Zuge der Recherchen tauchen einige Steinhoff-Firmen auch in den „Panama-Papers“ und in den „Paradise Papers“ auf. Eine Briefkastenfirma dient dem Konzern dabei als Holding-Gesellschaft für eine Beteiligung an einem Hafen-Logistik-Unternehmen in Mosambik und einem Frucht-Transporteur in Hong Kong. Warum Steinhoff für die ungewöhnlichen Zukäufe eine Firma auf der Steueroase Isle of Man gewählt hat, sagte der Konzern nicht. Vielmehr erklärte ein Sprecher, dass die Gesellschaft „nach bestem Wissen“ nicht zur Steinhoff-Gruppe gehöre. Zu den E-Mails äußerte sich der Konzern nicht, sondern verwies auf eine laufende externe Untersuchung, die man beauftragt habe. Auch Markus Jooste und die beiden deutschen Geschäftsmänner, einer davon bis heute bei Steinhoff angestellt, äußerten sich auf Anfrage nicht.

Die Steinhoff-Gruppe galt lange Zeit nach Ikea als zweitgrößter Möbelkonzern Europas. Das Unternehmen war in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen und hatte Niederlassungen und Tochterunternehmen auf der ganzen Welt errichtet, auch in Südafrika. Der in Westerstede gegründete Konzern war Ende vergangenen Jahres in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass es bei Steinhoff mutmaßlich zu Bilanzfälschungen gekommen war. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen mehrere aktive und ehemalige Konzernangehörige wegen des Verdachts der Bilanz- und Urkundenfälschung und der Steuerhinterziehung.

Der Börsenwert des unter anderem im M-Dax notierten Konzerns lag zwischenzeitlich bei 24 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hat die Aktie mehr als 90 Prozent an Wert verloren. Weltweit arbeiten mehr als 100.000 Menschen für die Steinhoff-Gruppe.

Über das Thema berichten „Panorama 3“ am Dienstag, 27. Februar, um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen und die ARD-Hörfunkprogramme.



Quelle: NDR