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Startups: Frauenförderung könnte Gründungen im Tech-Bereich verdoppeln

„Wer Gründungsförderung macht, muss Frauenförderung mitdenken“: Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Hohenheim. Forscher untersuchen darin den Frauenanteil in 20 Gründer-Hochburgen weltweit und kommen zu dem Schluss: Mehr Gründerinnen könnten einen enormen Zuwachs für die Anzahl und Diversität von Unternehmensgründungen bedeuten. Dazu muss die Politik Frauen aber effizienter fördern – von den bisherigen Maßnahmen profitieren vor allem die Männer.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Foto: StartupStockPhotos / CC0 via Pixabay

„Wer Gründungsförderung macht, muss Frauenförderung mitdenken“: Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Hohenheim. Forscher untersuchen darin den Frauenanteil in 20 Gründer-Hochburgen weltweit und kommen zu dem Schluss: Mehr Gründerinnen könnten einen enormen Zuwachs für die Anzahl und Diversität von Unternehmensgründungen bedeuten. Dazu muss die Politik Frauen aber effizienter fördern – von den bisherigen Maßnahmen profitieren vor allem die Männer.

60.000: So viele Unternehmen mehr könnten in Deutschland pro Jahr entstehen, wenn mehr Frauen gründen würden. In der Gründerhochburg Berlin, wo vor allem die besonders zukunftsträchtigen Tech-Startups aus dem Boden schießen, würde ein höherer Gründerinnenanteil sogar noch mehr ausmachen. So wurden in der Hauptstadt im vergangenen Jahr circa 3.000 dieser Tech-Startups gegründet – bei einem Frauenanteil von nur 9 Prozent. Wenn Frauen die Männer in punkto Gründungen einholen würden, könnten es fast doppelt so viele sein.

Dieses Problem ist der Ausgangspunkt einer neuen Studie der Universität Hohenheim, die bald im Journal of Business Research erscheint. Prof. Dr. Andreas Kuckertz, Leiter des Fachgebiets Unternehmensgründungen und Unternehmertum, und Dr. Elisabeth Berger haben darin 20 Städte und Regionen weltweit unter die Lupe genommen, die als Gründer-Hochburgen gelten. Dazu gehören auch Berlin und das amerikanische Gründungszentrum Silicon Valley.

Die Eigenschaften der Startup-Ökosysteme hat das Forscherteam dabei besonders mit Blick auf den Frauenanteil an Neugründungen untersucht. In einer vergleichenden, quantitativen Analyse kombinieren Prof. Dr. Kuckertz und Dr. Berger dazu Zahlen aus dem Global Startup Ecosystem Ranking und dem Gender Equality Index der Vereinten Nationen und kommen so zu vollkommen neuen Resultaten.

Wirtschaftsförderung greift bei Frauen nicht

Das auffälligste Ergebnis: Auch wenn die politische Wirtschaftsförderung für viele Startup-Gründer eine wichtige Rolle spielt, greift sie speziell bei Frauen kaum: „Wir haben festgestellt, dass eine starke politische Förderung keinen Einfluss auf den Anteil der Gründerinnen hat. Im Gegenteil: In Ökosystemen mit wenig politischer Förderung gibt es trotzdem relativ viele Gründerinnen“, stellt das Forscherteam fest.

In Startup-Ökosystemen mit hohem Männeranteil würde die politische Förderung als sehr positiv wahrgenommen. Dr. Berger fasst zusammen: „Männer werden durch politische Maßnahmen zum Gründen angeregt, Frauen weniger.“ Sie stellt fest, dass die vermeintlich neutrale vorhandene Förderung sich eben doch primär an Männer richtet. „Die Situation sieht also neutral aus, ist aber ungerecht.“

Wenn Frauen gezielt angesprochen würden, verliefe das oft im Rahmen überreizter Klischees, beobachtet Dr. Berger: „Um Frauen abzuholen, reicht es nicht, einfach alles pink zu verpacken. Das schreckt viele potenzielle Gründerinnen eher ab.“

Förderung muss Frauen abholen

„Ungeachtet aller theoretischen Gleichberechtigung herrscht also immer noch Diskriminierung, wenn auch unbeabsichtigt“, fasst Prof. Dr. Kuckertz zusammen – mit spürbar negativen Folgen für die Wirtschaft, der das Gründungspotenzial der Frauen verloren geht.

„Gründungsförderung kann nicht geschlechterneutral sein“, schlussfolgert das Expertenteam daher. Von der Politik fordern sie eine Reihe von Maßnahmen, um das Missverhältnis auszugleichen:

1. Gründerinnen im Tech-Bereich als Vorbilder prominent inszenieren: „Zum Gründen braucht man Vorbilder. Diese sind aber meistens männlich. Es gilt daher, durchaus vorhandene weibliche Vorbilder gezielt ins Rampenlicht zu rücken und auch einmal als Heldinnen zu inszenieren.“ Solche Rollenmodelle könnten eine Leuchtturmfunktion einnehmen und auch auf andere Städte und Industrien ausstrahlen, hofft Dr. Berger.

2. Frauen weiter speziell fördern: Zum Beispiel auch mit einer früh ansetzenden Förderung von Mädchen in den MINT-Fächern, die die nötigen Kenntnisse für Gründungen vor allem im Technikbereich vermitteln. Aber auch Veranstaltungen wie der Fempreneur Summit in Berlin können Gründungsinteresse fördern, denn ein Hochschulabschluss in den MINT-Fächern ist keine zwingende Voraussetzung für ein Tech-Startup. Gründungsinteressierte Frauen können sich stattdessen fehlende Kompetenzen auch durch Mitgründer oder Mitarbeiter dazu holen.

3. Frauen auch bei geschlechterneutralen Förderprogrammen gezielt ansprechen, ohne dabei in Stereotype zu verfallen: „Die Ansprache bei der Kommunikation von Fördermaßnahmen ist oft zu maskulin. Einige davon, wie zum Beispiel Hackathons (also ausgedehnte Veranstaltungen zur gemeinsamen Soft- und Hardwareentwicklung), werden oft als reine Männerveranstaltungen wahrgenommen.“ Man müsse daher Möglichkeiten und Kanäle finden, Frauen gezielt, aber frei von überzogenen Klischees, anzusprechen.

Geschlechtergerechtigkeit ist wichtig, reicht aber nicht aus

Überraschenderweise zeigte die Studie auch, dass ein hohes Maß an Gleichstellung in einer Gesellschaft nicht automatisch zu mehr Gründungen durch Frauen führt.

„Die USA zum Beispiel schneiden beim Gender Equality Index vergleichsweise schlecht ab. In punkto Gründerinnen liegen aber dennoch amerikanische Städte auf den ersten vier Plätzen, angeführt von Chicago mit einem Gründerinnenanteil von 30 Prozent“, berichtet Dr. Berger.

Ihr Fazit: Generelle Geschlechtergerechtigkeit bildet einen wichtigen Rahmen. Das ist die Pflicht. Um mehr Gründerinnen im Tech-Bereich zu fördern, muss die Gründungsförderung aber über Gleichstellung hinausgehen und spezifischer auf Frauen ausgerichtet sein.



Quelle: ots/Universität Hohenheim