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Die USA sind mehr als Trump

Wer glaubte, das deutsch-amerikanische Verhältnis könne sich gar nicht mehr verschlechtern, wurde kürzlich eines Besseren belehrt: Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, versetzte auch die Region in Aufregung - mit nur einem Satz. Und der hatte es in sich: "Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der amerikanische Steuerzahler weiter mehr als 50 000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden", sagte Grenell.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Welt.
Plakatwand in West-Berlin Marshallplan
Plakatwand in West-Berlin Marshallplan
Foto: St.Krekeler / Gemeinfrei (via Wikimedia Commons)

Wer glaubte, das deutsch-amerikanische Verhältnis könne sich gar nicht mehr verschlechtern, wurde kürzlich eines Besseren belehrt: Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, versetzte auch die Region in Aufregung - mit nur einem Satz. Und der hatte es in sich: "Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der amerikanische Steuerzahler weiter mehr als 50 000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden", sagte Grenell.

Das Entsetzen war auch deshalb so groß, weil die US-Army in Deutschland nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in Bayern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Verständlich ist die Aufregung natürlich. Wer schon einmal das Städtchen Grafenwöhr in der nördlichen Oberpfalz besucht hat, der weiß, dass die US-Präsenz in 70 Jahren engster Partnerschaft positive Spuren hinterlassen hat. Und die sind nicht nur wirtschaftlicher Natur. Das deutsch-amerikanische Volksfest, das erst vor kurzem stattfand, ist Ausdruck eines Respekts voreinander, den man in der Rhetorik deutscher Politiker gegenüber den USA derzeit oft vermisst.

Den 6000 deutschen Einwohnern Grafenwöhrs stehen etwa 45 000 US-Bürger gegenüber, die in und um den Truppenübungsplatz leben. Auch sie bangen nun, dass Donald Trump die von seinem Botschafter ausgesprochene Drohung verwirklicht. Und die Oberpfälzer wünschen sich, dass unser Umgang mit den USA nicht nur am Trump-Bild festgemacht wird. Trump ist ein Rassist, er ist frauenfeindlich, er ist ein Nationalist. Aber wir vergessen offenbar, dass die USA mehr sind als nur Donald Trump und seine Wähler. Kein Wunder, dass die USA in Richtung Osten schielen und dorthin einen Teil der Truppen verlagern wollen. In den einstigen Staaten des Ostblocks ist die Erinnerung daran noch nicht verblichen, was man den Amerikanern eigentlich verdankt: die Befreiung von einem diktatorischen Regime nämlich. Dort sind die US-Truppen herzlich willkommen, während die deutsche Öffentlichkeit offenbar ihr Band zu den USA verloren hat.

Leider wird dabei allzu oft ausgeblendet, dass die USA nicht nur aus Trumps und Grenells besteht. In den USA werden Homosexuelle nicht verfolgt und im Zweifel nicht eingesperrt, in Russland ist das anders. Dennoch betreibt der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder ungeniert Lobbyarbeit für eine Gaspipeline nach Deutschland. Verletzungen der Menschenrechte in China haben die Stadt Regensburg nicht davon abgehalten, mit Qingdao eine Partnerstadt aus diesem Land zu wählen. Wirtschaftliche Interessen scheinen wichtiger zu sein als polizeiliche Gewalt in Hongkong. Der Aufschrei in Deutschland blieb auch aus, als kürzlich die russische Marine ein Manöver durchführte und dabei bis in die Bucht von Kiel vordrang. Erstmals seit 30 Jahren fuhren 10 000 Soldaten unter dem Manöver-Namen "Ocean Shield 2019" mit 70 Schiffen direkt vor unserer Küste auf, um Macht zu demonstrieren. Solche Manöver sorgen vielleicht in Deutschland nicht für Aufsehen. Doch bei unseren EU- und Nato-Partnern Polen, Estland, Lettland und Litauen wecken sie Urängste.

Für sie wirkt es beruhigend, wenn die Nato gemeinsam auch mit den US-Streitkräften den Ernstfall übt. Wer die derzeitige politische Lage in den USA beklagt, was angesichts der Ausfälle des amerikanischen Präsidenten nachvollziehbar ist, der sollte eines nicht vergessen: Wir verdanken den USA die Befreiung von grausamer Diktatur und letztlich die Demokratie. Die US-Soldaten müssen bleiben, denn sie schützen uns vor einer Bedrohung, die wir 30 Jahre nach dem Mauerfall wohl schon vergessen haben. Die USA waren 70 Jahre lang verlässliche Partner. Und Trumpisten sind nicht die gesamte USA, es gibt auch Andersdenkende. Wer das vergisst, der sollte zumindest konsequent sein - und nicht nach den wirtschaftlichen Vorteilen schielen, während man gleichzeitig die USA unter Trump kritisiert.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung