Trumps Treffen mit Kim
Grenzüberschreitungen gehören zu den leichtesten Übungen im Repertoire Donald Trumps. Er hat mit diplomatischen Konventionen nichts am Hut und vor historisch kontaminierten Schauplätzen wenig Ehrfurcht. Solange für seine leicht zu beeindruckenden Stammwähler daheim fernsehkompatibel Weltgeschichte geschrieben werden kann, betritt Amerikas Präsident gerne unorthodox Neuland. Sein inszenierter Handschlag an der letzten Nahtstelle des Kalten Krieges zwischen Süd- und Nordkorea mit Kim Jong-un ist jedoch der mit Abstand gewagteste Polit-Stunt des 73-Jährigen.
Grenzüberschreitungen gehören zu den leichtesten Übungen im Repertoire Donald Trumps. Er hat mit diplomatischen Konventionen nichts am Hut und vor historisch kontaminierten Schauplätzen wenig Ehrfurcht. Solange für seine leicht zu beeindruckenden Stammwähler daheim fernsehkompatibel Weltgeschichte geschrieben werden kann, betritt Amerikas Präsident gerne unorthodox Neuland. Sein inszenierter Handschlag an der letzten Nahtstelle des Kalten Krieges zwischen Süd- und Nordkorea mit Kim Jong-un ist jedoch der mit Abstand gewagteste Polit-Stunt des 73-Jährigen.
Anders als seine Vorgänger betrat Trump in der demilitarisierten Zone von Panmunjom erstmals nordkoreanischen Boden. Er hat damit inoffiziell ein Land anerkannt, mit dem die USA seit über 65 Jahren de facto in einer stillgelegten Kriegsbeziehung leben. Es gibt einen Waffenstillstand, aber keinen Friedensvertrag. Für Kim Jong-un bedeutet der Akt einen Propaganda-Erfolg von hohem Wert. Ein Diktator, der Gegner hinrichten lässt und sein Volk mit stalinistischen Methoden unterjocht, darf sich auf Augenhöhe mit den Großen der Weltpolitik fühlen. Warum das alles?
Trumps in Wahrheit gar nicht so spontaner Abstecher auf die koreanische Halbinsel (er redete bereits seit Tagen davon, Journalisten waren aber zu Stillschweigen verpflichtet worden) atmet bei näherer Betrachtung den Geist leiser Verzweiflung. Nach zwei ertragsarmen Gipfeltreffen mit Kim in Singapur und Hanoi war nicht nur Stillstand an der Verhandlungsfront eingezogen. Kim Jong-un hat nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes CIA die Arbeit am atomaren Waffen- und Raketenprogramm unverändert fortgesetzt und sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping solide diplomatische Stützräder gesichert. Mehr noch: In Umkehrung der Kräfteverhältnisse stellte Kim seinem Brieffreund Trump ein Ultimatum. Tenor: Bis Ende dieses Jahres muss Washington seinen Friss-oder-stirb-Verhandlungsansatz bei der "vollständigen und irreversiblen Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel" aufgeben. Andernfalls setzt es "unerwünschte Konsequenzen". Was nichts anderes bedeuten würde als erneute Tests von Atomwaffen und ballistischen Raketen, deren Radius bis Amerika reicht. Der Beginn einer neuen Eskalation, in der Trump wie 2017 Pjöngjangs "kleinem Raketenmann" erneut mit "Feuer und Zorn" droht, wäre die wahrscheinliche Folge.
In diese Sackgasse will Trump nicht ein zweites Mal laufen. Er benötigt mit Blick auf die Wahl 2020 dringend einen nachhaltigen außenpolitischen Erfolg. Darum mehren sich die Anzeichen, dass der Präsident von seiner bisherigen Maximalforderung Abschied nimmt. Sie besagt, dass Kim Jong-un als Vorleistung sein Atomwaffen- und Raketenprogramm rückstandslos aufgeben muss. Erst danach würden die USA die Sanktionen lockern und dem bitterarmen Nordkorea den Weg in eine prosperierende Zukunft öffnen. Kim Jong-un dagegen verlangt Zugeständnisse Washingtons und bietet im Gegenzug die Demontage einzelner Komponenten seines Abschreckungsapparats an. Wie der jetzt vereinbarte neue Verhandlungsprozess hier einen tragfähigen Kompromiss erzeugen soll, ist vor allem aus einem Grund mit Fragezeichen versehen. Auf US-Seite haben die Top-Leute (Präsident, Außenminister, Sicherheitsberater etc.) bisher selten mit einer Zunge gesprochen. Achterbahn-Diplomatie, die am Ende nur Verwirrung stiftet, kann sich Donald Trump nach dem historischen Handschlag von Panmunjom aber nicht mehr leisten.