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Nawalnys Vermächtnis

Warten auf die Zeit nach Putin

Alexej Nawalny hat seine Entschlossenheit mit dem Leben bezahlt. Glaubwürdige Angaben über die Ursache seines Todes werden wir wohl nie bekommen. Ganz sicher ist: Nawalny war unter mörderischen Bedienungen inhaftiert.

Geschrieben von Raimund Neuß am . Veröffentlicht in Welt.
Nun ist Putin einen weiteren Gegner los. An Nawalny haben seine Schergen jene ostentative Grausamkeit praktiziert, die seit Iwan dem Schrecklichen als Voraussetzung des Machterhalts gilt. Und jetzt?
Nun ist Putin einen weiteren Gegner los. An Nawalny haben seine Schergen jene ostentative Grausamkeit praktiziert, die seit Iwan dem Schrecklichen als Voraussetzung des Machterhalts gilt. Und jetzt?
Foto: Tim Reckmann / CC BY 2.0 (via Flickr)

Alexej Nawalny hat seine Entschlossenheit mit dem Leben bezahlt. Glaubwürdige Angaben über die Ursache seines Todes werden wir wohl nie bekommen. Ganz sicher ist: Nawalny war unter mörderischen Bedienungen inhaftiert.

Wieder und wieder hatten seine Anwälte über schwere Gesundheitsprobleme als Folge der Haft berichtet, zeitweise blockierten die Kreml-Behörden jeden Kontakt.

Dass es so kommen könnte, wird Nawalny gewusst haben, als er freiwillig in sein Heimatland zurückkehrte - gegen den Rat seiner westlichen Helfer und nachdem er in Deutschland von den Folgen eines Giftanschlags geheilt worden war, den russische Geheimdienstler auf ihn verübt hatten. Am eigenen Leib hatte Nawalny erfahren und am Schicksal anderer Oppositioneller gesehen, wie das Regime von Wladimir Putin mit Leuten verfährt, die ihm gefährlich werden können.

Und Nawalny war gefährlich. Gerade deshalb, weil er kein liberaler Demokrat war. Das verbindet ihn mit Boris Nadeschdin, dem Herausforderer Putins, der ja kürzlich von der Präsidentenwahl ausgeschlossen wurde. Auch wenn Nawalny zuletzt den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilte, hatte er die Okkupation der Krim begrüßt und war im Nachbarland entsprechend verhasst. Aus Sicht russischer Normal-Chauvinisten gab es an ihm wenig auszusetzen, zugleich versprach er den Kampf gegen Korruption: eine attraktive Kombination. Damit war das Projekt Nawalny zwar immer noch elitär und eher nicht mehrheitsfähig - aber es bot überhaupt eine Alternative zu Putin. So beginnen halt Veränderungen autokratischer Systeme.

Nun ist Putin einen weiteren Gegner los. An Nawalny haben seine Schergen jene ostentative Grausamkeit praktiziert, die seit Iwan dem Schrecklichen als Voraussetzung des Machterhalts gilt. Und jetzt? Der russische Staat ist ganz auf den Staatschef zugeschnitten, auch wenn sich in der zweiten Reihe Technokraten bereithalten, die möglichst wenig mit Putins Krieg zu tun haben wollen. Sie mögen auf Putins Tod warten oder darauf, dass der Krieg für Russland noch übler verläuft als in den ersten beiden Jahren. Militärische Pleiten ermöglichen in Russland erfahrungsgemäß innere Umbrüche.

Weil er auf die Chance zur Veränderung wartete, war auch Nawalny zurückgekehrt. Die Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt sein Vermächtnis.

Quelle: Kölnische Rundschau